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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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bei uns zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Was laberten die Typen auch, wo sie zugaben, selber zu rauchen. Einer von uns sagte so einem jungschen Typ mal: »Ihr glaubt wohl, wenn Studenten kiffen, dann ist das O.K. Die haben den Durchblick. Aber wenn Lehrlinge oder Arbeiter kiffen, dann ist das gefährlich. Solche Argumente laufen bei uns nicht.« Der Typ wusste nicht, was er antworten sollte. Der hatte ein richtig schlechtes Gewissen.
    Ich rauchte nicht nur, ich trank auch Wein und Bier, wenn ich kein Dope hatte. Das fing schon an, wenn ich aus der Schule kam, oder auch schon vormittags, wenn ich die Schule schwänzte. Ich musste mich immer irgendwie antörnen. Ich war ständig im totalen Tran. Das wollte ich auch, um ja nicht mit dem ganzen Dreck in der Schule und zu Hause konfrontiert zu werden. Die Schule war mir ohnehin vollkommen egal. Ich sackte ganz schnell von zwei auf vier bis fünf im Durchschnitt.
    Ich veränderte mich auch äußerlich total. Ich wurde irrsinnig mager, weil ich kaum noch was aß. Alle Hosen waren mir viel zu weit. Mein Gesicht fiel völlig ein. Ich stand viel vor dem Spiegel. Es gefiel mir, wie ich mich veränderte. Ich sah immer mehr so aus wie die anderen aus der Clique. Mein unschuldiges Kindergesicht war endlich weg.
    Ich war total fixiert auf mein Aussehen. Meine Mutter musste mir hochhackige Schuhe kaufen und hautenge Hosen. Ich machte mir einen Mittelscheitel und kämmte die Haare ins Gesicht. Ich wollte geheimnisvoll aussehen. Niemand sollte mich durchschauen. Es sollte niemand merken, dass ich gar nicht die coole Braut war, die ich sein wollte.
    Eines Abends fragte mich Piet im Club, ob ich eigentlich schon mal ’nen Trip geworfen hätte. Ich sagte: »Na klar, Alter.« Ich hatte schon viel von LSD gehört, das sie Pille oder Trip nannten. Ich hatte oft gehört, wenn jemand von seinem letzten Trip erzählte. Als Piet grinste und ich merkte, dass er mir nicht glaubte, dass ich schon einen Trip geschmissen hatte, fing ich an zu spinnen. Ich klaubte zusammen, was ich von den Erzählungen der anderen behalten hatte, und fantasierte daraus meinen Trip zusammen. Ich merkte, dass Piet mir immer noch nicht glaubte. Ihm konnte man eben nichts vormachen. Ich hatte das auch schlecht gebracht und schämte mich regelrecht.
    Piet sagte: »Wenn du mal probieren willst. Samstag habe ich echt gute Trips. Du kannst was abhaben.«
    Ich freute mich auf den Samstag. Ich dachte, wenn ich erst wirklich auf Pille gewesen sei, dann gehörte ich total zu den anderen. Als ich zum Haus der Mitte kam, hatte Kessi ihren Trip schon geschmissen. Piet sagte: »Wenn du wirklich willst, ich gebe dir ’ne halbe. Das reicht fürs Erste.« Piet gab mir ein Klümpchen Zigarettenpapier, in das ein Pillenkrümel eingepackt war. Ich konnte das nicht vor den anderen so reinschmeißen. Ich war wahnsinnig aufgeregt. Ich hatte auch irgendwie Angst, entdeckt zu werden. Außerdem wollte ich es irgendwie feierlich machen. Ich ging also auf die Toilette, schloss mich ein und schluckte den Krümel.
    Als ich wiederkam, meinte Piet, ich hätte die Pille ins Klo geschmissen. Ich wartete ungeduldig darauf, dass mit mir was passierte, damit die anderen glaubten, dass ich die Pille geschluckt hatte.
    Als um zehn Uhr der Club im Haus der Mitte zumachte, merkte ich noch nichts. Ich ging mit Piet zum U-Bahnhof. Auf dem Bahnhof trafen wir zwei Freunde von Piet, Frank und Pauli. Sie waren im Partnerlook. Sie wirkten ungeheuer ruhig. Ich mochte sie. Piet sagte mir: »Die sind auf H * .« Also auf Heroin. Mir machte das im Moment keinen Eindruck. Ich hatte mit mir und der Pille zu tun, die allmählich wirkte.
    Als wir in die U-Bahn stiegen und die U-Bahn dann losfuhr, flippte ich fast aus. Es war der reine Wahnsinn. Ich glaubte, ich wäre in einer Blechdose, in der einer mit einem Riesenlöffel rumrührt. Der Krach dieser U-Bahn im Tunnel war Wahnsinn. Ich dachte, diesen Krach könne ich nicht aushalten. Die Leute in der U-Bahn hatten furchtbare Fratzen. Das heißt, eigentlich sahen sie aus wie immer, diese Spießer. Nur dass man in ihren Gesichtern jetzt noch viel deutlicher sah, was für ekelhafte Spießer das waren. Ich stellte mir vor, dass diese fetten Spießer jetzt aus irgendeiner Scheißkneipe oder von irgendeiner Scheißarbeit kamen. Dann gingen diese Schweinsgesichter ins Bett und dann wieder zur Arbeit und dann sahen sie fern. Ich dachte: Du kannst froh sein, dass du anders bist. Dass du die Clique hast. Dass du jetzt

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