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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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ging ich zur Apotheke und kaufte mir eine Packung Ephedrin für 2,95 Mark. Das war rezeptfrei. Ich nahm jetzt nicht mehr zwei Ephedrin, sondern vier bis fünf. Ich machte noch eine Zwischenstation im Haus der Mitte und schnorrte mir eine Pfeife zusammen. Ich ging zum U-Bahnhof und war irgendwie unheimlich geil drauf. Ich dachte nicht an Kessi, ich dachte überhaupt nicht dran, was war. Ich war einfach da. Ich schwebte einfach in einer ganz tollen, rauschigen Welt.
    In der U-Bahn fand ich es an jeder Station geil, wie neue Leute einstiegen, denen man genau ansah, dass sie ins Sound wollten. Astrein in der Aufmachung, lange Haare und zehn Zentimeter hohe Stiefelsohlen. Meine Stars, die Stars des Sound. Ich hatte überhaupt keinen Bammel mehr, allein ins Sound zu gehen. Ich war wirklich toll drauf. Die Pfeife im Club war urisch gewesen.
    Auf der Treppe ins Sound stieß ich mit einem Jungen zusammen. Er sah mich an und sagte was. Ich fand ihn wahnsinnig cool. Groß, schlank, langes blondes Haar und unheimlich ruhig. Ich fing noch auf der Treppe an, mit ihm zu quatschen. Ich war ja so gut drauf. Wir verstanden uns mit jedem Satz besser. Wir fanden die gleiche Musik geil und hatten sogar sehr ähnliche Erlebnisse auf Pille gehabt. Er hieß Atze. Er war der erste Junge, den ich echt astrein fand. Ich verknallte mich noch an diesem Abend. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben verknallt.
    Atze stellte mich seinen Freunden vor. Das war eine ganz coole Clique. Ich redete sofort voll mit. Es ging um Drogen und wie man sich am besten antörnte. Und da hatte ich mittlerweile nun wirklich nicht weniger Erfahrungen als sie. Sie redeten auch über H, über Heroin. Alle waren sich einig, dass das eine Scheißdroge sei, dass man sich auch gleich eine Kugel in den Kopf schießen könne, wenn man mit H anfinge. Ich sagte: »Das müssen doch Vollidioten sein, die drücken.« Dann redeten wir über das Engermachen von Hosen. Da hatte ich auch Erfahrung. Ich wurde nämlich so schnell dünner, dass ich bald jede Woche die Jeans enger nähen musste. Knallenge Hosen waren ja auch so eine Art Markenzeichen für die Leute im Sound. Ich konnte ihnen da noch Nähtipps geben. Hosen enger nähen war die einzige Handarbeit, die ich je gemacht hatte.
    Ich war sofort anerkannt von Atzes Clique. Ganz ohne Kampf. Ich hatte auch eine Ruhe und ein Selbstbewusstsein auf diesem Törn, dass ich mich selber wunderte. Da war noch ein anderer Junge in der Clique, den ich gleich sehr gern mochte. Er hieß Detlef. Er war ganz anders als Atze. Er sah sehr niedlich aus, war sehr weich und irgendwie noch kindlich. Sie nannten ihn Püppi. Er war 16. Mit ihm redete ich am freiesten. Dann war da noch eine tolle Braut. Astrid. Die hatte unheimlich viel drauf. Die ließ Sprüche los, dass sich alle vor Lachen bogen. Sie hatte immer einen passenden Spruch. Ich bewunderte das. Nur vor Blacky musste man sich in Acht nehmen. Der konnte sehr verletzend sein, wenn man was Falsches sagte. Als ich erzählte, dass ich einmal auf Trip in der U-Bahn mit einem kleinen Kind gespielt hätte und das Kind sei ein richtiger Engel gewesen, machte Blacky gleich eine dumme Bemerkung. Man musste also sehr aufpassen, was man redete. Nicht so toll fand ich auch Bienenstich. Der war ein Mädchenaufreißer. Und solche Typen konnte ich seit der Erfahrung mit Kathi überhaupt nicht ab. Aber Bienenstich gehörte auch nur so halb zur Clique.
    Wir quatschten also und gingen zwischendurch raus, um uns eine Pfeife zu machen. Als das Sound morgens um fünf dichtmachte, zog ich mit den anderen noch zum Kurfürstendamm. In der U-Bahn nach Rudow fühlte ich mich dann unheimlich glücklich. Ich kam ganz sanft runter von Tabletten und Dope. Ich war angenehm müde und zum ersten Mal in meinem Leben verliebt.
    Ich wartete jetzt nur noch auf die Wochenenden. Atze war ganz behutsam zärtlich. Als wir uns das dritte Mal im Sound sahen, küsste er mich, und ich küsste ihn wieder. Es war ein sehr unschuldiger Kuss. Mehr wollte ich nicht. Atze spürte das, ohne dass wir drüber sprechen mussten. Das war eben der Unterschied zwischen Drogis und Alkis. Die meisten Drogis hatten einen feinen Spürsinn für das, was mit dem anderen los war. Jedenfalls wenn er zur eigenen Clique gehörte. Die Alkis stürzten sich auf die Mädchen, wenn sie besoffen waren. Da ging es nur ums Bumsen. Bei uns waren ganz andere Sachen wichtig.
    Atze und ich waren wie Bruder und Schwester. Er war mein großer Bruder. Wir gingen immer Arm in

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