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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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rumzustreiten. Das war kurz vor den Osterferien 1976.
    Am ersten Samstag in den Ferien saß ich im Sound auf der Bank an der Treppe und wusste mal wieder echt nicht, warum ich da saß. Zwei Mädchen kamen die Treppe runter, so ungefähr zwölf Jahre alt, aber mit Schminke und Büstenhalter und auf sechzehn getrimmt. Ich erzählte auch jedem, der mich nicht sehr genau kannte, dass ich sechzehn sei, und versuchte mich auch so alt hinzuschminken. Ich hatte sofort eine unheimliche Abneigung gegen die beiden Mädchen. Aber dann interessierten sie mich auch. Ich ließ sie nicht mehr aus den Augen.
    Wie sie sich durch das Sound bewegten, checkte ich sofort, dass die Anschluss suchten. Die wollten in eine Clique. Und das Schärfste für die wäre bestimmt die H-Clique, dachte ich. Sie kannten auch schon Richie, den Küchenchef vom Sound. Der war der einzig Ältere von den Sound-Angestellten, schon so Ende dreißig. Der stand auf Mädchen dieser Altersklasse. So der gute Onkel aller Trebegängerinnen. Die beiden quatschten also mit Richie über den Tresen. Sie merkten wohl, dass ich sie beobachtete. Sie guckten auch immer zu mir herüber. Wohl, weil ich in ihrem Alter war. Eine der beiden kam dann zu mir. Sie hatte echt ein unschuldiges Engelsgesicht. Sie heiße Babsi, sagte sie und fragte, ob ich einen Trip für sie hätte.
    Ich sagte: »Hör doch auf. Ist ja schlimm. Was willst du denn mit ’nem Trip?« Ich genoss es, ihr so haushoch überlegen zu sein. Sie sollte lernen, dass man eine mit H-Erfahrung nicht einfach so wegen eines Trips anhaute. Sie fand mich wohl so cool, wie ich ein paar Monate vorher die Typen, die schon weiter auf der Drogenszene waren. Sie sagte, sie wolle mir einen Kirschsaft ausgeben und käme gleich wieder.
    Als die Babsi weg war, kam die andere sofort. Sie hieß Stella. Die fragte, was Babsi von mir gewollt habe. Ich sagte: »Einen Trip.«
    Stella sagte: »Hat sie dir schon Geld gegeben? Mir sind nämlich fünf Mark weggekommen. Die Alte hat sie bestimmt geklaut.« Das war also schon echt Stella. So wie ich sie später fast jeden Tag erleben sollte. Babsi und Stella wurden nämlich später meine besten Freundinnen. Bis Babsi Schlagzeilen in den Zeitungen bekam, weil sie die jüngste Herointote Berlins war.
    Babsi kam dann mit dem Kirschsaft. Ich verachtete sie, aber mochte sie mit ihrem Engelsgesicht und ihrer unkomplizierten, naiven Art auch irgendwie. Wir kamen ins Quatschen. Babsi und Stella waren von der Realschule geflogen, weil sie zu oft Schule schwänzten. Die Schule geschwänzt hatten sie, weil sie in eine Clique reingekommen waren, in der tierisch gekifft wurde. Nun waren sie von zu Hause abgehauen, also auf Trebe, und wollten mehr erleben als in ihrer Hasch-Clique. Babsi war zwölf Jahre alt und Stella dreizehn.
    Ich lud Babsi für den nächsten Vormittag zu mir nach Hause ein. Da sie überhaupt kein Zeug hatte, schenkte ich ihr zwei alte T-Shirts von mir und eine Unterhose. Dann schlief sie in meinem Bett und ich kochte Essen. Ich mochte sie nun wirklich. Ich freundete mich am nächsten Tag auch mit Stella an. Sie waren so, wie ich noch vor ganz kurzer Zeit gewesen war. Irgendwie fühlte ich mich in ihrer Gegenwart doch wohler als bei den total kaputten Fixern. Sie rauchten Shit und schmissen Trips und ich kam durch sie auch ein bisschen weg von den Leuten, die nur an H dachten und über H redeten. Ich nahm nur am Samstag meinen kleinen Snief. Die anderen aus der Clique machten sich darüber lustig, dass ich mich nun mit Teenie-Boppers abgab. Aber mir machte das nichts aus.
    Wir drei hatten einfach viel miteinander zu quatschen. Wir hatten zu Hause alle ähnlichen Trouble gehabt. Babsis Vater hatte sich umgebracht, als sie noch ein kleines Kind war. Ihre Mutter war Tänzerin in Ostberlin gewesen und im Westen Fotomodell, erzählte Babsi. Ihr Stiefvater war ein großer Pianist. Ein weltberühmter Künstler, sagte Babsi. Sie war mächtig stolz auf ihren Stiefvater. Vor allem, wenn wir in einen Plattenladen gingen und da gab es jede Menge Plattenhüllen mit dem Namen und dem Bild ihres Stiefvaters. Dieser Klavierspieler schien sich allerdings nicht allzu viel um sie zu kümmern. Babsi lebte bei ihren Großeltern, die sie adoptiert hatten. Sie lebte da wie eine Prinzessin. Ich war später mal bei ihr zu Hause. Sie hatte ein wahnsinniges Zimmer mit den geilsten Möbeln. Sie hatte einen irren Plattenspieler und jede Menge Platten. Und Klamotten noch und noch. Aber sie vertrug sich nicht mit

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