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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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Bezug zur Wirklichkeit hatte ich nicht mehr. Das Wirkliche war für mich unwirklich. Mich interessierte weder Gestern noch Morgen. Ich hatte keine Pläne, sondern nur noch Träume. Am liebsten redete ich mit Detlef darüber, wie es wäre, wenn wir viel Geld hätten. Ein großes Haus wollten wir uns kaufen und ein großes Auto und die coolsten Möbel. Nur eins kam in diesen Spinnereien nie vor: Heroin.
    Detlef hatte dann tatsächlich eine Idee, wie wir reich werden könnten. Er sagte mir, dass er auf Kombi, also auf Pump, von einem Dealer für hundert Mark H bekommen könnte. Das wollte er in zehn Päckchen für zwanzig Mark abteilen, so dass wir beim Verkauf hundert Mark verdient hätten. Von dem Geld könnten wir dann neu einkaufen und jedes Mal unser Kapital verdoppeln. Ich fand die Idee astrein. So einfach stellten wir uns damals also das Dealen vor.
    Detlef bekam auch tatsächlich hundert Mark auf Kombi. Offenbar waren gerade ein paar kleine Dealer auf der Szene hochgegangen und die suchten neue Straßenverkäufer. Richtig auf die Szene wagten wir uns mit unserem Dope nicht. Wir verkauften im Sound. Detlef, das gutmütige Schaf, geriet immer an Leute auf Turkey, die keine müde Mark hatten. Er gab ihnen das Dope auch auf Kombi. Die zahlten natürlich nie. Die eine Hälfte des H ging so weg, die andere verdrückten wir selber. Als das Dope alle war, hatten wir echt keinen Pfennig dafür bekommen.
    Der Typ, von dem Detlef den Stoff auf Kombi hatte, war wahnsinnig sauer. Aber er unternahm nichts weiter. Wahrscheinlich hatte er nur testen wollen, ob Detlef als Kleindealer taugte. Und der hatte nun ausreichend bewiesen, dass er nicht die geringsten Fähigkeiten zum Dealen hatte.
    Die ersten drei Wochen der Sommerferien war ich jeden Tag mit Detlef zusammen. Wir trafen uns immer schon mittags. Wir waren dann meistens unterwegs, um irgendwie Kohle zu ergeiern. Ich machte Sachen, die ich früher nie so fertiggebracht hätte. Ich klaute wie ein Rabe in den Kaufhäusern. Vor allem Sachen, die man im Sound zu Geld und dann zu Dope machen konnte. Es reichte selten für zwei Drucks am Tag. Aber das brauchten wir auch noch nicht unbedingt. Wir kamen sogar noch Tage ohne H aus, weil wir noch nicht körperlich drauf waren. Die zweite Hälfte der Ferien sollte ich zu meiner Oma nach Hessen reisen. Meine Oma wohnte in einem kleinen Dorf. Und komisch, ich freute mich wahnsinnig auf das Dorf und meine Oma. Einerseits konnte ich mir zwei, drei Wochen ohne Detlef überhaupt nicht vorstellen. Dass ich auch nur ein paar Tage ohne Sound und Kudamm-Glitzerglitzer leben könnte, schien mir kaum denkbar. Andererseits freute ich mich eben auf die Kinder im Dorf, die noch nie etwas von Drogen gehört hatten, auf Schnitzeljagden und Rumgeplansche am Bach und Reiten. Ich wusste selber nicht mehr, wer ich war.
    Ohne viel darüber nachzudenken, hatte ich mich auch schon in zwei grundverschiedene Personen aufgespalten. Ich schrieb Briefe an mich selbst. Das heißt, Christiane schrieb Briefe an Vera. Vera ist mein zweiter Vorname. Christiane war die Dreizehnjährige, die zur Oma wollte, war irgendwie die Gute, Vera war die Fixerin. Und die stritten sich also jetzt in Briefen.
    Schon als meine Mutter mich in den Zug gesetzt hatte, war ich nur noch Christiane. Und als ich dann bei meiner Oma in der Küche saß, da war es, als wäre ich nie in Berlin gewesen. Ich fühlte mich sofort echt zu Hause. Meine Oma gab mir, schon wie sie so relaxed da saß, ein Gefühl, zu Hause zu sein. Ich mochte meine Oma wahnsinnig. Und ich mochte ihre Küche. Die war wie aus dem Bilderbuch. Eine richtige alte Bauernküche mit offener Feuerstelle und riesigen Töpfen und Pfannen, in denen immer irgendetwas brutzelte. Urgemütlich.
    Mit meinen Vettern und Cousinen und mit den anderen im Dorf, die in meinem Alter waren, verstand ich mich sofort wieder. Das waren alles noch richtige Kinder. Wie ich. Ich fühlte mich seit ich weiß nicht wie langer Zeit wieder wie ein Kind. Meine hochhackigen Stiefel warf ich in die Ecke. Ich lieh mir von den anderen je nach Wetter Sandalen oder Gummistiefel. Meine Schminksachen rührte ich nie an. Ich musste hier ja niemandem irgendetwas beweisen.
    Ich ritt viel. Wir machten Schnitzeljagden mit Pferden und zu Fuß. Unser Lieblingsspielplatz war immer noch unten am Bach. Wir waren alle größer geworden und die Staudämme, die wir bauten, wurden jetzt riesig. Richtige Stauseen entstanden dahinter. Und wenn wir abends eine Bresche in den Damm

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