Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
anzubehalten, in die ich nun gerade gut hineinpasste. Ich zwängte mich in meine engen Jeans. Die Nähte krachten, der Reißverschluss ging beim besten Willen nicht mehr zu. Ich zog mein langes schwarzes Männerjackett und die Stiefel mit den höchsten Hacken an. Ich war also schon wieder als Fixerbraut kostümiert, bevor ich meine Oma verließ. Mit offener Hose fuhr ich zurück nach Berlin.
Ich ging gleich am nächsten Nachmittag auf den Bahnhof Zoo. Detlef und sein Freund Bernd waren da. Der Dritte aus unserer Clique, Axel, fehlte. Ich dachte, der sei mit einem Freier unterwegs.
Die Begrüßung der beiden Jungs war riesig. Ich merkte echt, wie sie sich freuten, dass ich wieder da war. Vor allem natürlich Detlef. Ich sagte zu ihm: »Na, entziehst du schön und hast du einen guten Job?« Wir lachten alle drei.
Ich fragte: »Wie geht es Axel?«
Die Jungs guckten ganz komisch und nach einer Weile sagte Detlef: »Weißt du noch nicht, dass Axel tot ist?«
Das haute mich nun echt um. Ich kriegte erst mal gar keine Luft mehr. Ich sagte noch: »Ihr spinnt.« Aber ich wusste schon, dass es wahr war.
Also jetzt Axel. Axel, in dessen Wohnung ich die meisten Wochenendnächte mit Detlef während der letzten Monate verbracht hatte. Der mir in seiner stinkigen Fixerwohnung jede Woche das Bett neu bezogen hatte. Dem ich immer seinen dämlichen Thunfisch mitgebracht hatte und der für mich immer Danone-Joghurt hinstellte. Der Einzige, zu dem ich mit all meinen Problemen hatte kommen können, wenn mit Detlef mal wieder Knatsch war. Der Einzige, dem ich auch immer was hatte vorheulen können. Weil er jedenfalls innerhalb der Clique nie aggressiv, nie verletzend gewesen war.
Ich fragte: »Wieso denn?«
Detlef sagte: »Auf irgendeiner Toilette haben sie ihn gefunden mit der Nadel im Arm.« Für die beiden Jungs schien Axels Tod schon irgendwie Schnee vom vergangenen Jahr. Es schien ihnen fast unangenehm, darüber zu reden.
Ich dachte immer wieder an den blöden Thunfisch, den ich für ihn gekauft hatte, und dass ich jetzt nie wieder Thunfisch kaufen würde. Und ich dachte plötzlich an Detlef, dass er keinen Platz zum Schlafen mehr haben könnte. Ich fragte: »Wohnt ihr noch in Axels Wohnung?«
Detlef antwortete: »Seine Mutter hat die Wohnung schon aufgelöst. Ich wohne jetzt bei einem Freier.«
Ich sagte: »Ach, du Scheiße.« Ich dachte in dem Moment, dass ich Detlef nun endgültig an seine Freier verloren hätte. Dass Detlef bei einem Freier wohnte, traf mich fast genauso wie Axels Tod.
Detlef sagte: »Der Freier ist ganz in Ordnung. Er ist noch jung, so Mitte zwanzig, und kein bisschen Bauch. Ich hab ihm schon von dir erzählt. Du kannst auch bei ihm schlafen.«
Wir fuhren auf die Szene, weil Detlef Dope kaufen wollte. Wir trafen ein paar Bekannte und ich sagte immer wieder: »Scheiße, das mit Axel.« Aber die anderen stiegen gar nicht darauf ein. Da sagte ich zu mir selbst noch ein paar Mal: Scheiße, das mit Axel.
Von der Szene gingen wir zur Toilette am Bülowbogen. Detlef wollte sich gleich einen Druck machen. Ich kam mit zum Assistieren. Ich wartete darauf, dass Detlef mir von seinem Dope was anbot. Vielleicht, weil ich dann »Nein« sagen wollte, um ihm zu zeigen, dass ich stark war und es schaffte. Aber Detlef bot mir nichts an. Mir saß die Sache mit Axel so in den Knochen, dass ich glaubte, ich könne das nicht aushalten. Als Detlef das Dope aufkochte, wurde ich wahnsinnig geil auf einen Schuss. Ich dachte, ein klitzekleiner Schuss bringt dich nicht drauf, aber bringt dir diese Scheiße mit Axel und Detlefs Schlaf-Freier aus dem Kopf. Ich fragte Detlef.
Detlef sagte: »Mensch, willst du schon wieder drücken? Ich denke, du hast aufgehört.«
Ich sagte: »Klar, Alter, ich höre auch auf. Aber gerade du weißt ja, wie irrsinnig einfach das ist, aufzuhören. Du hast ja auch volles Rohr entzogen, während ich weg war und clean geblieben bin. Du, Alter, ehrlich, nachdem ich diesen ganzen Scheiß hier gehört habe, brauche ich ein bisschen Dope.«
Detlef sagte: »Es ist auch nicht schwierig, aufzuhören. Ich könnte das jeden Tag. Ich hab nur noch keinen Bock gehabt. Aber fang du doch jetzt bloß nicht wieder an.«
Noch während er so rumlaberte, machte er sich den Druck und ließ mir ein bisschen in der Spritze. Nachdem ich so lange clean war, reichte das bisschen, mich etwas anzutörnen und die Sache mit Axel fast zu vergessen.
Es ging diesmal sehr viel schneller, bis ich wieder total drauf war. Meine
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