Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Kater. Ich sagte ihm, es sei doch nicht so schlimm, wenn ich ihn ein, zwei Stunden allein lassen würde. Ich gab ihm mit meiner Spritze Kamillentee und Traubenzucker, das Einzige, was er noch bei sich behielt, und sagte: »Du wirst auch nicht sterben.«
Ich wollte noch einmal so ganz geil über den Kudamm bummeln. Denn ich wusste, dass es bei Narkonon keinen Ausgang gab und wenn, nur in Begleitung. Und ich wollte auch einen Schuss drinhaben, weil der Kudamm ohne H bestimmt nicht so geil war. Mir fehlten nur die zwanzig Mark. Ich musste noch einen Freier machen. Ich wollte aber auf dem Bahnhof nicht Detlef begegnen, ihm sagen: Du, ich habe einen fabelhaften Entzug gemacht, habe das ganz toll gebracht. Und jetzt suche ich einen Freier, weil mir noch zwanzig Mark fehlen. Detlef hätte mich garantiert nicht verstanden. Er hätte mich angemacht, über mich gelacht und gesagt: Du bist und bleibst eine alte Fixerbraut. Das wollte ich also unter gar keinen Umständen.
Die Idee kriegte ich erst in der U-Bahn: Autostrich. Die Idee kam mir wegen der zwanzig Mark, die noch fehlten. Auf dem Autostrich bekam man oft nur zwanzig Mark. Babsi und Stella gingen ja schon auf den Autostrich an der Kurfürsten-und Genthiner Straße. Ich hatte aber noch immer einen urischen Horror vor dem Autostrich. Mir gefiel es schon nicht, dass die Freier nicht zu mir kamen wie auf dem Bahnhof und ich sie in Ruhe prüfen konnte, sondern dass ich zum Auto des Freiers hinmusste, wenn der winkte. Es war so schnell gar nicht richtig auszumachen, was das für ein Typ war.
Das Schlimmste war, wenn man an einen Zuhälter geriet. Die Zuhälter tarnten sich als Freier. Wenn sie einen erst mal im Auto hatten, war nichts mehr zu machen. Die meisten Zuhälter wollten zwar keine Fixerin für sich laufen lassen, weil da ja viel zu viel Geld fürs Dope weggeht. Aber sie wollten die Fixerinnen von der Kurfürstenstraße vertreiben, weil die Fixerkinder die Preise auf dem Profistrich verdarben.
Babsi war mal zu einem Zuhälter in den Wagen gestiegen. Drei Tage hatte der sie eingeschlossen. Sie wurde richtig gefoltert. Dann haben sie ganze Kompanien von Männern über sie rübergelassen. Kanaken und besoffene Penner und alles. Und Babsi war natürlich die ganze Zeit voll auf Turkey. Sie hatte sich einen echten Knacks in diesen drei Tagen geholt. Aber sie ging dann doch wieder auf die Kurfürstenstraße. Sie war da ja die Queen mit ihrem Engelsgesicht und ohne Po und ohne Busen.
Die Profinutten waren beinah ebenso gefährlich wie die Zuhälter. Die Potsdamer Straße, wo die miesesten Nutten Berlins ihr Revier haben, war nur rund 200 Meter vom Babystrich auf der Kurfürstenstraße weg. Manchmal machten sie regelrecht Treibjagd auf Fixerinnen. Kriegten sie eine, dann kratzten sie das Gesicht zu Hackfleisch.
Ich stieg U-Bahnhof Kurfürstenstraße aus und hatte urische Angst. Ich dachte an die Ratschläge, die Stella und Babsi immer für den Autostrich gaben: Keine jungschen Typen mit Sportwagen oder Ami-Schlitten, Zuhälter. Ältere Typen mit Bauch, Krawatte, möglichst Hut sind okay. Am besten sind die mit Kindersitz hinten im Auto. Brave Familienväter, die mal eine schnelle Abwechslung von Mutti wollen und garantiert mehr Schiss haben als die Mädchen.
Ich ging vom U-Bahnhof die hundert Meter hoch zur Kreuzung Genthiner Straße, wo auch das Sound war. Ich tat so, als wolle ich gar nicht anschaffen. Ich ging nicht an der Straße, sondern ganz dicht an den Häusern. Es hielt trotzdem gleich einer. Er kam mir komisch vor. Vielleicht weil er einen Bart hatte. Er sah irgendwie aggressiv aus. Ich zeigte ihm einen Vogel und ging weiter.
Es war kein anderes Mädchen zu sehen. Es war ja noch vormittags. Ich wusste aus Stellas und Babsis Erzählungen, dass die Freier ganz fickerig wurden, wenn sie sich also gerade mal eine halbe Stunde Zeit genommen hatten, und es war kein Mädchen da. Manchmal gab es auf der Kurfürstenstraße mehr Freier als Mädchen. Es hielten auch gleich noch ein paar. Ich tat so, als beachte ich sie gar nicht.
Ich guckte in ein Möbelschaufenster und da war gleich wieder der Traum von meiner Wohnung da. Ich sagte mir: Christiane, Mädchen, nun reiß dich zusammen. Du musst das jetzt schnell hinter dich bringen, diese lächerlichen zwanzig Mark. Du musst dich jetzt voll konzentrieren. Bei solchen Sachen musste ich mich immer darauf konzentrieren, das schnell zu packen, damit es möglichst bald vorbei war.
Dann hielt ein weißer Commodore. Zwar kein
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