Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Schwierigkeiten einen Kleinkredit geben würde. Sie bat und bettelte, dass ich bleiben durfte. Die Typen waren schließlich einverstanden.
Ich fragte, ob ich mal aufs Klo dürfe. Ich durfte. Man wurde also nicht wie bei anderen Therapien erst mal durchsucht und musste nach Hause gehen, wenn man Fixerutensilien dabeihatte. Ich ging aufs Klo und drückte ganz schnell das restliche Dope weg. Die sahen natürlich, dass ich voll breit aus dem Klo zurückkam, aber sie sagten nichts. Ich gab ihnen mein Besteck. Der Typ, dem ich das gab, sagte ganz erstaunt: »Das haben wir aber gern, dass du uns das ganz freiwillig gibst.«
Ich musste ins Turkeyzimmer, weil die eben sahen, dass ich total breit war. Da waren noch zwei im Turkeyzimmer. Einer haute gleich am nächsten Morgen wieder ab.
Das war dann für die Narkononleute ein ganz schöner Verdienst, wenn sie von jemandem das Geld für einen Monat hatten, und der haute gleich wieder ab.
Ich bekam Bücher mit der Lehre der Scientology Church. Ganz schön abgefahrene Schwarten. Ich fand, dass das eine ganz geile Sekte war. Jedenfalls hatten sie ziemlich abgefahrene Geschichten, die man glauben konnte oder nicht. Ich suchte nach etwas, das ich glauben konnte.
Nach zwei Tagen durfte ich wieder aus dem Turkeyzimmer raus, weil ich nach den zwei Schuss kaum Entzugserscheinungen hatte. Ich kam auf ein Zimmer mit Christa. Das war eine total ausgeflippte Frau. Sie kriegte gleich Therapieverbot, weil sie über die Therapien und die Therapeuten immer nur lachte. Sie kam dann in unser Zimmer und suchte die Fußleisten nach Trips ab. Sie meinte, vielleicht hätte irgendjemand da mal Trips versteckt. Sie brachte mich auf den Dachboden und sagte: »Mensch, hier müsste man ein paar Matratzen aufbauen und dann eine coole Orgie machen mit Wein und Haschisch und so.« Die Frau zog mich ganz schön runter. Weil ich sie einerseits echt abgefahren fand. Aber sie brachte meine Gedanken eben immer wieder auf Drogen und fand diese Narkonontypen scheiße. Und ich wollte ja nun hier clean werden.
Am zweiten Tag rief mich meine Mutter an und sagte, dass mein Kater gestorben sei. Das war mein 15. Geburtstag. Meine Mutter gratulierte mir erst, nachdem sie das mit dem Kater gesagt hatte. Ihr ging es auch an die Nieren. Ich hab dann am Vormittag meines 15. Geburtstags auf meinem Bett gehockt und nur geflennt.
Als die Typen merkten, dass ich nur noch heulte, sagten sie, ich brauche eine Session. Ich wurde mit einem der Typen, einem ehemaligen Fixer, in einen Raum eingeschlossen und der gab mir nun scheinbar sinnlose Befehle. Ich durfte nur »Ja« sagen und musste jeden Befehl ausführen.
Der Typ sagte: »Siehst du die Wand. Geh zu der Wand. Berühre die Wand.« Und dann ging es wieder von vorne los. Ich wetzte also stundenlang von Wand zu Wand in diesem Zimmer. Irgendwann war es mir echt zu viel und ich sagte: »Mensch, was soll denn der Quatsch. Seid ihr eigentlich bekloppt. Lasst mich gefälligst in Ruhe. Ich hab keinen Bock mehr.« Aber mit seinem Lächeln, das sich nie veränderte, kriegte er mich irgendwann dazu, weiterzumachen. Ich musste dann auch andere Sachen berühren. Bis ich wirklich nicht mehr von der Stelle konnte und mich auf den Fußboden warf und schrie und heulte.
Er lächelte und ich machte weiter, als ich mich beruhigt hatte. Ich hatte jetzt auch schon dieses Lächeln drauf. Ich war total apathisch. Ich berührte die Wand schon, bevor sein Befehl kam. Das Einzige, was ich noch denken konnte, war: Das muss ja irgendwann zu Ende sein.
Nach genau fünf Stunden sagte er: »Okay, das ist genug für heute.« Ich meinte, dass ich mich unheimlich dufte fühlte. Ich musste mit ihm in einen anderen Raum gehen. Da stand ein komisches selbstgebasteltes Gerät, so ein Pendel zwischen zwei Blechbüchsen. Das musste ich anfassen. Der Typ fragte: »Fühlst du dich wohl?«
Ich sagte: »Ich fühl mich wohl. Ich glaube, dass ich jetzt alles viel bewusster erlebe.«
Der Typ starrte auf das Pendel und sagte dann: »Es hat sich nicht bewegt. Du hast also nicht gelogen. Die Session war ein Erfolg.«
Das komische Ding war ein Lügendetektor. Das war wohl so ein Kultgerät dieser Sekte. Ich war jedenfalls ganz happy, dass das Pendel nicht ausgeschlagen hatte. Das war für mich der Beweis dafür, dass ich mich wirklich wohlfühlte. Ich war bereit, alles zu glauben, um vom H wegzukommen.
Sie machten da allerlei wunderbare Sachen. Als Christa am selben Abend Fieber bekam, musste sie eine Flasche anfassen
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