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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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Anfang 20 reist er nach Indien und lebt dort sieben Jahre »ein einfaches Leben«. 426
    Auf Kongressen hält er Vorträge, bei denen er, wie sein Vorbild, »the beautiful Gentleman Professor Yunus«, an Pathos nicht spart: »Es liegt in meiner DNA , meine Fähigkeiten dazu zu nutzen, anderen zu helfen«, 427 sagt er dann. Oder: »Alle, die wir Wirtschaft betreiben, machen das für den Menschen, für die Schöpfung, für die anderen wunderbaren Wesen, die wir haben.« 428 Neben seinem Social Business arbeitet er auch für nicht eben der Weltrettung verdächtige Großkonzerne wie Allianz, Adidas, BASF , Bertelsmann, E.on und Price Waterhouse Coopers. Er ist Gründer und Geschäftsführer der mehrfach preisgekrönten Event-Agentur Circ (Motto: »Leistung bedeutet Verantwortung. Verantwortung bedeutet Leistung«). 429 Mit Inszenierungen kennt sich der 44-jährige also gut aus.
    In das Grameen Lab hat Reitz 700 000 Euro investiert. Neben dem Grameen Creative Lab und der Event-Agentur hat der »Tausendsassa« ( Wirtschaftswoche ) eine Kaffeehauskette und ein Kindermodengeschäft gegründet, er betreibt außerdem ein afghanisches Restaurant in Wiesbaden. Den Jahresumsatz seiner Unternehmen schätzt er auf 20 Millionen Euro. 430 Sein Gehalt, das er sich selbst auszahlt, sei gut 30 Prozent niedriger als sein Gehalt als Agenturchef. In den Leitlinien des Grameen Creative Lab steht, dass ein Geschäftsführer nie mehr als das Siebenfache des deutschen Durchschnittseinkommens verdienen dürfe. Für Wirtschaftsmagazine grenzt das an Kommunismus. Doch die »maximal 210 000 Euro im Jahr«, die Geschäftsführer gezahlt bekommen, sind immerhin 17 500 Euro brutto im Monat. Das übersteigt sogar den durchschnittlichen Lohn von Geschäftsführern in der Industrie: mit im Schnitt 186 165 Euro pro Jahr verdienen sie in Deutschland am meisten. 431 Doch Reitz mache bei 90 000 Euro Schluss, 7 500 Euro brutto im Monat, »das reicht doch für ein gutes Leben«, schließlich sei es für ihn »eine Riesendose Freude, diese Arbeit zu machen«. 432 In den Leitlinien des Grameen Social Lab ist ebenfalls festgelegt, dass die Mitarbeiter einen »marktgerechten Lohn« bekommen sollen. Marktgerechte Löhne, das sagt schon der Name, orientieren sich am Markt: Es sind wettbewerbsfähige Löhne. Darüber hinaus beschäftigt das Grameen Creative Lab »Volunteer Social Business Consultants«, die unentgeltlich drei Monate Vollzeit arbeiten. 433 Aber wer wollte schon auf schnödes Geld pochen, wo es doch um die Rettung der Welt geht? Außerdem kann man sich ja jeden Tag eine »Riesendose Freude« aufmachen, und mit etwas Glück mal mit Yunus telefonieren.
    Darauf angesprochen, warum die Social Businesses in Ban gladesch hinter ihre Versprechen zurückfallen, sagt Reitz: »Wenn wir Geschäfte machen in einem Land, das zu den am wenigsten entwickelten derWelt gehört, ist es ganz normal, dass es in der Phase der Realisierung Herausforderungen gibt. Die Social Business-Idee ist in einer absoluten Pionierphase, man sollte das nicht überbewerten.« Weitere Sprüche aus dem Business-Bullshit-Bingo: »Das geht nicht von heute auf morgen.« – »Das ist ein Prozess.« – »Wir sind ja erst am Anfang.« – »Wir müssen lernen.« Das sind die Antworten, die ich in meinen Interviews für Enorm jedes Mal bekomme, wenn ich frage, wie die wohlfeilen Sozial- und Öko-Bemühungen das schädliche Kerngeschäft aufwiegen sollen. Bangladesch gilt als »Versuchslabor« der Konzerne für Social Business. Entsprechend betonen dessen Apologeten gerne »Lernkurven« 434 der Unternehmen. Die Lebensrealität der Versuchskaninchen verkommt auf diese Weise allenfalls zur Maßeinheit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.
    »Es sind mit Sicherheit alle Projektpartner in einer selbstlosen Art und Weise dort hingegangen und versuchen das nach vorne zu bringen. Es waren keine Interessen da, den Markt dorthin zu bringen, das können Sie mir glauben«, beteuert Reitz, ja, leicht gereizt. Hm hm. Jaja.
    Selbst leiseste Kritik, das spürt man schnell, ist unerwünscht.
    Auf meinen Artikel in Enorm darüber, wie weit die Social Businesses in Bangladesch hinter ihren Ankündigungen zurückbleiben, hagelte es aus der Weltretterszene Leserbriefe, die zum Teil feucht von Wuttränen waren. Die Besonneneren wären aber schon damit zufrieden gewesen, wenn das Heft von den Kiosken zurückgezogen und im nächsten eine Richtigstellung gedruckt worden wäre.
    »Einige Leute erfinden einfach

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