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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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Geschichten, wie es ihnen passt«, wischte auch Muhammad Yunus den Einwand des Handelsblatt -Korrespondenten Helmut Hausschild vom Tisch, dass es auch gegen die Grameen Bank Vorwürfe gebe, sie treibe ihre Kunden in die Überschuldung. 435 Dafür gibt es genug ernstzunehmen Belege. Doch gemäß dem TINA -Prinzip erteilen die Marktapologeten lieber Redeverbote, statt mit ihren Kritikern zu diskutieren. Dabei hatten alle beschriebenen Konzerne genug Gelegenheit, meine Bedenken zu zerstreuen: jeden einzelnen und auch das Yunus Center in Bangladesch hatte ich sogar schriftlich gebeten, Stellung zu nehmen. Bis auf Otto und Reebook (die mir eine nichtssagende Standardpressemitteilung schickten) habe ich bis heute auch auf Nachfrage keine Antwort bekommen.
    Social Business und Mikrokredite in Deutschland:
Neuauflage der Ich- AG
    »Soziales Unternehmertun kann jeder. (…) Mit Social Business können wir praktisch das ganze Problem der Arbeitslosigkeit lösen. Wir können den Menschen helfen, aus der Fürsorge herauszukommen. Niemand braucht mehr Sozialhilfe. Die Menschen können für sich selbst sorgen.« Das sagte Muhammad Yunus bei seinem dritten Auftritt auf dem Vision Summit 2009 und warb so auch für eine Umsetzung des Social Business in Deutschland. 436 Es ist das übliche Eigenverantwortungsgebrumm, mit dem Gerhard Schröder den Bürgern das umfassende Programm zur Zerstörung des Sozialstaats, die Agenda 2010, schmackhaft machen wollte. Dazu gehörte auch die so genannte Ich- AG , eine staatlich geförderte Existenzgründung für Arbeitslose. Auch Peter Hartz sprach damals pathetisch von »Fesseln durchschneiden« und »neue Kräfte freisetzen«. 437 Als anekdotische Evidenz wurde in sämtlichen Medien und selbst auf Plakaten die Fotografin Merit Schambach angeführt, die in Berlin-Kreuzberg den »Senfsalon« gegründet hat und ihre Kreationen vom Himbeer- bis zum Knoblauchsenf in ganz Deutschland vertreibt. 2,1 Millionen solcher Ein-Mann-Unternehmen gibt es heute in Deutschland. Doch viele der Zwangsgründer – laut Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind rund zwei Drittel dieser Kleinstunternehmen Notgründungen – kommen nur knapp über die Runden: Ein knappes Fünftel ist armutsgefährdet, 8,7 Prozent der Selbstständigen gelten als arm. Frank Wiessner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sagt, dass es nur denen besser gehe, die verheiratet seien und sich auf ein zusätzliches Einkommen verlassen könnten. Dieser Anteil der Ich- AG s betrage aber nur 20 Prozent. 438 Für das Alter: selber sparen. Für die Gesundheit: selber sorgen. Für sein Auskommen: anstrengen! Wer’s nicht hinkriegt: selber schuld. Ich- AG , die positive Umschreibung des mit sämtlichen Risiken Alleingelassenen als »eigener Herr«, wurde zum Unwort des Jahres 2002.
    Andreas Heineke ist einer der bekanntesten Sozialunternehmer Deutschlands; er und seine Idee wurden bereits in vielen Magazinen porträtiert. In der Hamburger Speicherstadt betreibt er die Ausstellung »Dialog im Dunkeln«. Dabei sollen Blinde die Besucher durch dunkle Räume führen, um Verständnis für ihre Welt zu schaffen. Ohne Zweifel eine tolle Idee. »Dialog im Dunkeln« hat 110 Mitarbeiter und Ableger in 30 Ländern. Heineke sagt: »Wir haben uns vom Gutmenschentum befreit und nutzen normale betriebswirtschaftliche Prozesse. Auf der anderen Seite sind wir ein stromlinienförmiges Unternehmen. Wir müssen genau kalkulieren und unsere Finanzen planen, um am Markt zu bestehen.« Heineke, der immer wieder als Erfolgsbeispiel angeführt wird, zweifelt jedoch an dem Modell: »Social Entrepreneurship verträgt sich nicht mit finanziellem Erfolg. Wir müssen uns fragen, ob das Modell des Unternehmertums im sozialen Bereich wirklich das richtige ist.« 439
    Dennoch ist die Politik vom Sozialunternehmertum begeistert. Die Bundesregierung hat ein öffentliches Förderpro gramm für Sozialunternehmer aufgelegt: Soziale Unternehmer können bis zu 200 000 Euro von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau als Eigenkapital bekommen – unter der Voraussetzung, dass sich ein weiterer Investor daran beteiligt. Die Europäische Union hat ihrerseits einen Social-Enterprise-Fonds mit 90 Millionen Euro aufgelegt. 440 Das Thema Social Entrepreneurship soll sogar in Schulen einziehen: Die Schwab Stiftung (deren Gründer Klaus Schwab hat auch das Weltwirtschaftsforum gegründet, ein Symbol der neoliberalen Globalisierung wie der G 8-Gipfel), Intel und

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