Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
Vom Netzwerk:
Löhne sind im Social Business nicht vorgesehen. Es ist erstaunlich, dass Discounter wie Lidl und Kik hierzulande wegen ihrer Beschaffungspraxis und Niedriglohnpolitik heftig kritisiert werden, während Social Business, das nach genau dengleichen Prinzipien arbeitet, eine so große Anerkennung findet. Im November 2011 schließlich gab Adidas bekannt, mit dem Projekt in Bangladesch gescheitert zu sein. Sie hätten, sagte Konzernchef Herbert Hainer, nur Verlust gemacht: drei Dollar (!) habe der Schuh in der Herstellung gekostet – plus 3,50 Dollar Einfuhrzoll. Jetzt will es Adidas in Indien versuchen. Während die Ankündigung des Turnschuhs für die Armen für großes Presseecho sorgte, blieb diese Meldung in den Medien nur eine Randnotiz. Dabei ist So cial Business von Adidas schon das zweite, das gescheitert ist.
    Im Juli 2011 gab Otto bekannt, dass sich der Zeitplan für die soziale Textilfabrik »durch politische und praktische Komplikationen verzögert« habe. 417 Der Baubeginn war für März 2010 geplant, im Jahr darauf hätten die ersten Kleidungsstücke in den Handel kommen sollen. Bis heute ist unklar, ob es die »Leuchtturmfabrik« jemals geben wird. Die wollte Otto nach neuesten Ökostandards bauen lassen, mit ordentlichen Sanitäranlagen, medizinischer Versorgung und Gratismittagessen. Ein sicheres, gut ausgestattetes Gebäude ist in Bangladesch gewiss ein großer Fortschritt. Doch die Menschen, die dort arbeiten, sollen nur den staatlichen Mindestlohn bekommen. Der lag damals, als Otto das Grameen-Joint-Venture verkündete, bei umgerechnet 19 Euro im Monat. Wenig später gab es heftige Proteste der Textilarbeiter auf den Straßen von Dhaka, die vom Militär blutig niedergeschlagen wurden, vier Menschen kamen zu Tode. 418 Mehrere Aktivisten wurden verhaftet und gefoltert. Der Mindestlohn wurde auf 34 Euro pro Monat erhöht. Viel zu wenig: die Arbeiter und Gewerkschaften hatten 50 Euro gefordert.
    Die Niedriglöhne der bangladeschischen Textilindustrie, in der 2,5 Millionen Menschen arbeiten, sind das Kapital, mit dem das bitterarme Land Investoren locken kann. Unter anderem auch Otto. In dem ZDF-Film » Nähen bis zum Umfallen« 419 steht Michael Otto mitten in einer Fabrik. Der Reporter fragt: »Sind Sie nicht ein Ausbeuter, wenn Sie hier produzieren?« Michael Otto (Familienprivatvermögen: ca. 18,7 Milliarden Euro 420 ): »Das sehe ich vollkommen anders. Denn man muss sehen, ohne Aufträge aus Industrieländern können sich Entwicklungsländer überhaupt nicht entwickeln.« Er hätte aber »keinesfalls etwas dagegen«, wenn Mindestlöhne angehoben würden. »Es ist natürlich schon manchmal sehr eigentümlich, dass Konsumenten ein T-Shirt für einen Euro kaufen und sich keine Gedanken darüber machen, dass dann womöglich eine Produktion zulasten der Menschen erfolgt ist. Wenn wir aber eventuell sogar höhere Preise für bestimmte Standards einfordern, dann ist der Konsument nicht bereit, dafür höhere Preise zu zahlen«, sagt Otto, dessen Konzern in der »Otto- Trendstudie« regelmäßig die Kaufbereitschaft ethischer Konsumenten misst. »Der Kunde will’s so!« – ein scheinheiliger Standardspruch, mit dem die Unternehmer Bullshit-Bingo spielen.
    Aber auch ein teures T-Shirt ist nicht unbedingt unter besseren Bedingungen hergestellt. Selbst Hess Natur, der deutsche Pionier bei Bekleidung aus Bio-Baumwolle, wurde kritisiert, dass die Öko-Kleider nicht fair hergestellt würden. 421 In einem Workshop auf dem Vision Summit in Potsdam verkündete Rolf Heimann von Hess Natur feierlich, dass man künftig mit Yunus kooperieren würde. Zu seinen Grameen-Unternehmen gehört auch eine Textilfabrik. Nach Selbstauskunft eine der fünf bestbezahlenden Firmen des Landes.
    Diese Fabrik liegt in der Sonderwirtschaftszone in Savar, etwa eine Autostunde von Dhaka entfernt. Dort treffe ich Arbeiter von Grameen Knitwear. Khorshed Alam, ein Aktivist, der für westliche NGO unter anderem Recherchen in der Textilindustrie durchführt 422 und das Institut Alternative Movement for Resources and Freedom Society ( AMRF ) leitet, hat mir zwei Kolleginnen zur Übersetzung ausgeliehen. Er schärft mir ein: »Nur zu Hause treffen. Unauffällig benehmen. Maximal eine Stunde bleiben.« Wenn man mit Textilarbeitern sprechen will, muss man konspirativ vorgehen, sonst gefährdet man ihren Job. Wir treffen uns vor dem Haus eines Gewerkschaftsmitglieds, die beiden Männer sind noch nicht da. Auf der Wäscheleine hängen riesige

Weitere Kostenlose Bücher