Wir müssen leider draußen bleiben
Schulreform in Hamburg durchsetze. 202 Die Bildzeitung , neben Radio Hamburgund Morgenpost , die wie ein inoffizieller Medienpartner der Initiative erschien, beteiligte sich an der Rufschädigung: Sie nahm Schulausschuss-Mitglied Hans-Peter de Lorent von der Grün-Alternativem Liste ( GAL ) auf den Titel: »Ex-Kommunist soll Schulreform durchpauken«. 203 Auch auf die Gegeninitiative »Pro Schulreform« feuerte Scheuerl schwere Geschosse. Die Organisation der Befürworter hatte als Maskottchen eine Eule im Supermann-Kostüm gewählt. Mit selbst genähten Eulenkostümen und gebastelten Pappeulen waren sie auf Infos-Ständen an zutreffen. Anwalt Scheuerl schickte der Initiative eine Abmahnung ins Haus: würden sie das Superman-Logo weiter verwenden, müssten sie 150 000 Euro wegen Markenrechtsverletzung zahlen. »Ein ganz normaler Vorgang. Es ist eine Markenverletzung, das ist ja nicht nur lustig. Es gibt keinen Grund, das denen durchgehen zu lassen, dass sie unter Verwendung der Superman-Marke Leute zu ihrer Kampagne lenken«, 204 sagte Scheuerl. Und nicht nur das. In einem Elternforum im Internet schlug er vor: »Eine übergewichtige Grundschulleiterin bzw. fette Eule als Logo Ihrer ›Gruppe‹, die sich in ein Superman-Latex-Kostüm zwängt, um evtl. einen der lukrativen Leitungsposten einer Primarschule zu ergattern. Ich möchte hiermit offiziell vorschlagen, sie ›Angelika‹ zu nennen, quasi als Homage an Angelika F. [Name von der Autorin abgekürzt], die im Februar die Goetsch- Loyalitätsliste initiierte.« 205 Später entschuldigte sich Scheuerl bei der Frau.
Als »Wir wollen lernen« beschloss, per Volksentscheid die Primarschule zu verhindern, hatte die Initiative drei Wochen Zeit, um 62 000 Unterschriften zu sammeln. 3 500 pro Tag. Dazu schickte sie eine Weile Studenten los, die pro eingesammelter Unterschrift einen Euro bekamen und später pro Stunde be zahlt wurden. Das Kampagnenbüro wurde in bester Innen stadtlage aufgeschlagen, und die FDP spendierte Plakatwände. Man hatte einen Kampagnenleiter, und insgesamt 2 100 Leute sammelten Unterschriften. 206 Die Listen lagen in den Einzelhandelsgeschäften der reichen Vororte aus, in Arztpraxen und Anwaltskanzleien, gesammelt wurde auf Golfplätzen und innerhalb anderer Reichennetzwerke. Selbst in Altersheimen waren Sammler unterwegs. »Wir wollen lernen« hatte Infostände in Konsumtempeln wie dem Elbe-Einkaufszentrum, nach Selbstauskunft das »schönste Einkaufszentrum des Hamburger Westens« 207 im wohlhabenden Stadtteil Osdorf. Angeblich aus »Platzgründen« wurde es der Gegeninitiative »Pro Schulreform« verweigert, ihrerseits dort ebenfalls Infostände aufzubauen.
Während »Wir wollen lernen« mit allen Schikanen um die Aufmerksamkeit und Unterschriften der verängstigten Mittel- und selbstsicheren Oberschicht kämpfte, kritisierte Scheuerl den Hamburger Senat, weil dieser eine Werbeagentur damit beauftragt hatte, eine Kampagne für die Schulreform zu gestalten – für 200 000 Euro. Nicht nur, dass er sich über die Verschwendung von Steuergeldern aufregte, er erklärte sie sogar für rechtswidrig und forderte – erfolglos – den Stopp der Kam pagne. 208 Dabei, so schätzt Klaus-Dieter Schwetscher von Ver.di Hamburg, der selbst schon mehrere Bürgerentscheide organisiert hatte, in der taz : »Über 200 000 Euro kostet die Kampagne von ›Wir wollen lernen‹ schon, da bin ich mir ganz sicher.« 209 Wer das ganze Geld bereitstellte, ist bis heute nicht bekannt. Dabei ist »Wir wollen lernen« geschickt in eine gesetzliche Lücke geschlüpft: Laut Hamburger Volksabstimmungsgesetz müssen alle Spender mit Namen und Adresse aufgelistet werden, die mehr als 2 500 Euro geben. Doch einziger Spender ist der »Förderverein für bessere Bildung in Hamburg«, den Scheuerl aus der Taufe hob. Zweck des Vereins laut Satzung: Unterstützung der Volksinitiative »Wir wollen ler nen«. 210 Der Förderverein hat seit 2008 mehr als 240 000 Euro an Spenden eingesammelt. »Das hat es noch nie gegeben, dass jemand so eine Tarnorganisation gegründet hat«, empört sich Angelika Gardiner über die »ausgebufften Anwäl te« von »Wir wollen lernen« in der taz . Sie arbeitet für »Mehr Demokratie« in Hamburg, einen Verein, der seit dreizehn Jahren Bürgerinitiativen unterstützt und berät. 211
Besitzstandswahrung gegen sozial Schwache
Wenn man Walter Scheuerl im Konferenzraum seiner Kanzlei gegenübersitzt, hat man nicht das Gefühl, einen Krawall schlagenden
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