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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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sich vor allem aus Unternehmern, Anwälten und Ärzten zusammen und wurde unterstützt von Adligen wie Ingeborg Prinzessin zu Schleswig-Holstein sowie Magnus Graf und Karoline Gräfin Lambsdorff.
    Stritt diese Initiative wirklich darum, eine für die Allgemeinheit bessere Alternative zum Hamburger Modell durchzusetzen? Wollten sie die Qualität der Bildung allgemein he ben? Oder ging es den Gründern von »Wir wollen lernen« nicht eher um die Zementierung des selektiven Schulsystems, das ihre eigenen Kinder bevorteilt – Kinder, die ohnehin im Leben besser aufgestellt sind? Kämpften sie nicht eigentlich um den Erhalt »ihres« Gymnasiums – oder besser gesagt um dessen Symbolwert als Schule der besser Lernenden, der späteren »Leistungsträger«?
    »Die Elite schottet sich nach unten ab. Das bedeutet: Wenn von unten niemand nach oben kommen kann, erhöht das automatisch die Wahrscheinlichkeit, dass bei denen, die oben sind, alles halbwegs so bleiben wird, wie es ist«, sagte der Darmstädter Elitenforscher Michael Hartmann in einem Beitrag in Panorama über diesen Eliteprotest. 189 Demnach ginge es den vermeintlichen Rebellen aus Hamburg also nur um den Erhalt ihres Wettbewerbsvorteils im Kampf um den besten Platz für ihre Kinder an den rarer werdenden Fleischtöpfen. Bessere Bildung für die nicht ganz so feinen Kreise bedeutet für die Elite offenbar nur potenzielle Konkurrenz für den eigenen Nachwuchs. Das ARD -Politmagazin nannte den Protest die »letzte Schlacht der Ständegesellschaft«.
    »Wir sind dafür, dass die Kinder früher separiert werden. Wir sind für ein leistungsorientiertes Schulsystem, weil wir absolut davon überzeugt sind, dass schlechte Schüler nicht davon profitieren, wenn sie mit guten zusammen sind«, sagt eine Pelzträgerin dem Panorama -Reporter auf dem Wochenmarkt im Hamburger Nobel-Stadtteil Blankenese. Ein Mann ergänzt: »Man muss nicht die sozial Bevorteilten benachteiligen, indem man die sozial Schwachen bevorteilt.« So denkt also der große Mann auf der Straße – wenn man ihn dort einmal antrifft.
    Gleich massenhaft war das der Fall, als die Initiative »Wir wollen lernen« im April 2009 zur ersten Demonstration gegen die Schulreform aufrief. Ein Zug von 4000 Gut- bis Sehrgutverdienern bewegte sich von Gänsemarkt zum Rathaus. Fein gekleidet und unfein lärmend marschierten sie auf dem Jungfernstieg entlang der Binnenalster und durch das Luxuseinkaufsparadies der Stadt. »Wir sind hier und wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut«, deklamierte Walter Scheuerl, der die mondäne Meute anführte. 190 Das noble Alsterhaus zur Rechten, das High-End-Hotel Vier Jahreszeiten zur Linken: Der elitäre Aufmarsch demonstrierte auch hier seine eigene Noblesse. Auf dem Gänsemarkt schließlich rief Scheuerl im dunkelblauen Polohemd, es war ein warmer Tag, mit erhobener Faust in die jubelnde Menge: »Ich ruf das mal vor, und dann rufen wir das anschließend zusammen: Können wir das schaffen? Jou, wir schaffen das! Und noch mal! Können wir das schaffen? Jou, wir schaffen das!« Ein anderer Demonstrant rief vom Podium herab: »Wir sind stolz! Hier steht die Mehrheit der Hamburger!« – Hoppla, da braucht die »Bildungs initiative« wohl dringend Nachhilfe in Mathe: 4000 Leute sind etwa 2,4 Prozent aller Hamburger. Doch hinter der übermütigen Hochrechnung steckte eine ganz andere Botschaft: Hier stehen die, die zählen, weil sie zahlen. Und wer zahlt, schafft an. Später tönte der prominenteste Unterstützer der Kampagne, das FDP -Mitglied Sky Dumont, ins Mikrofon: »Ich, meine Damen und Herren, spreche der Politik das Recht ab, über meine Kinder zu entscheiden.« 191 In Wahrheit bleibt es Sky Dumont und den Anhängern von »Wir wollen lernen« unbenommen, ihre Kinder auf eine Privatschule zu schicken. Elf Prozent der Kinder von Wohlhabenden besuchen ohnehin eine solche. Der Gedanke, dass das Geschrei nach Etabliertenvorrechten eventuell das Schicksal von Kindern besiegelt, deren Eltern keine solche Stimmgewalt und keine Wahlfreiheit in Sa chen Bildung haben, dieser Gedanke kam Dumont jedoch nicht.
    Die Demonstration war der öffentlichkeitswirksame Auf takt zu einem vulgären Klassenkampf zwischen oben und unten – geführt mit harten Bandagen. Wenn der Soziologe Michael Hartmann von der »Radikalisierung der Elite« spricht, dann meint er, dass diese »die eigenen Interessen deutlich vehementer vertritt«. So vehement übrigens, dass im Verlauf der Demonstration ein

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