Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
Vom Netzwerk:
es auch über Staatsgeschenke, leben muss. Den Empfängern solcher Geschenke ohne Gegenleistung darf es nicht erspart bleiben, diese Situation als schmerzlich zu empfinden. Eben dies spornt an, aus dieser unwürdigen Lage wieder herauszukommen.« 264
    Auflösung:
    1) Peter Sloterdijk in der FAZ 2) Giovani di Lorenzo in Die ZEIT 3) Susanne Leinemann in Die ZEIT Leben 4) Josef Joffe in Die ZEIT 5) Georg Meck und Rainer Hank in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung 6) Gunnar Heinssohn in der FAZ 7) Gerd Habermann in der Welt
    Eigentlich sind Sätze wie die oben stehenden die Domäne der Bild oder Thilo Sarrazins. Doch wenn man sie nur gedrechselt genug formuliert, finden diese Stammtischweisheiten auch bei bildungsbürgerlichen Lesern seriöser Medien Gehör. Die Botschaft aber ist dieselbe: Sozialschmarotzer leben auf Kosten der Leistungsträger. Angriffe auf sozial Schwache sind salonfähig geworden, seit sich selbst Akademiker (die oft eine großzügige Staatsbesoldung erhalten) und seriöse Medien dem Kampf von oben nach unten angeschlossen haben. Dass sich das Herzblatt der Bildungsbürger, Die Zeit , dem Hetzblatt der Nation, der Bild , zuweilen annähert, belegt allein der histo rische Umstand, dass die ausländerfeindlichen Thesen des Edel ausländers und ZEIT -Chefredakteurs Giovanni di Lorenzo von Seite eins der ZEIT auf Seite eins der Bild gewandert sind: » ZEIT -Chef Giovanni di Lorenzo stößt heikle Debatte an: Warum kriegen Migranten häufiger Hartz IV als Deutsche?«, 265 titelte Bild am Tag nach di Lorenzos Behauptung der »massenhaften Einwanderung in soziale Netze« im Januar 2010. Dabei ist eine solche gar nicht möglich: dafür hat die Reform des Familiennachzugs im Ausländerrecht längst gesorgt. Heute muss jeder Migrant, der seine Familie nach Deutschland holen will, nachweisen, dass er ihren Unterhalt bezahlen kann. 266
    So lassen sich viele Behauptungen ganz einfach widerlegen – etwa Peter Sloterdijks Klage über die angebliche Steuerlast der »Leistungsträger«, zu denen sich der staatlich alimentierte Großdenker selbstredend zählt. In seinem verquasten Aufruf zur »Revolution der gebenden Hand« sind dem Philosophie-Professor nicht einmal die Gedanken zu schlicht, der Staat sei ein »geldsaugendes Ungeheuer« und dessen Steuerpolitik »Kleptokratie«. In seinem Pamphlet ermutigte er im Ernst die Elite, ihre angebliche »Selbstverachtung«, geschürt durch Neid und Ressentiments der Schlechtergestellten, zu überwinden und in einen »fiskalischen Bürgerkrieg« zu treten, um ihr Eigentum zu verteidigen.
    »Aus einsamer Höhe verkündet Sloterdijk die lang ersehnten Parolen zur politischen Gestaltung der Zukunft, Parolen, in denen dem rührseligen Traum vom Sozialstaat endlich der Garaus gemacht wird«, schreib der Frankfurter Habermas-Schüler und Sozialphilosoph Axel Honneth in einer Gegenrede zu Sloterdijks »unausgegorenen Überlegungen« in der ZEIT . 267
    Dort nannte er dessen Ausführungen eine »intellektuelle Ausgeburt eines Klassenkampfs von oben«. Dem »befreienden Lachen, das eine solche Kampfparole aufgrund ihres Aberwitzes, ihres geradezu atemberaubenden Leichtsinns auslösen könnte«, schreibt Honneth, stünde nur »der Gedanke entgegen, dass es sich dabei um die Sätze eines von den Medien geliebten, von der politischen Öffentlichkeit verehrten und von den Akademien hochdekorierten Intellektuellen handelt.« Ein schönes Schlusswort wäre das gewesen, das der ZEIT gut zu Gesicht gestanden hätte. Aber die überließ dieses lieber Sloterdijk und räumte ihm nach der Veröffentlichung von Honneths Gegenrede gleich eine Doppelseite frei, auf der Sloterdijk unter dem hochnotpeinlichen Titel »Warum ich trotzdem recht habe« seine Thesen abermals ausbreiten durfte. 268
    Das biopolitische Gedankengut, das der Sozialpädagoge Gunnar Heinsohn, Autor des rechtspopulistischen Propaganda-Netzwerks »Achse des Guten«, via FAZ in die Welt setzen durfte, spielt sogar mit einer gefährlichen und die längste Zeit verpönten Idee: Mit seiner Forderung, die Sozialleistungen auf fünf Jahre zu begrenzen, um die »Belohnung« in Form einer »Quasiverbeamtung für immer mehr bildungsferne Kinder« zu beenden, sprach Heinsohn offen aus, es vermehrten sich zu viele von den »Falschen« – und gab damit zu Protokoll, dass Kinder von sozial Schwachen für die Gesellschaft weniger wert sind. Welche menschenverachtende Forderung wird als Nächstes intellektuell verbrämt?

Weitere Kostenlose Bücher