Wir müssen leider draußen bleiben
Ausbildung. »Wer es geschafft hat, auf eine Journalistenschule zu kommen, hat es im Grunde genommen in diesem Beruf bereits geschafft«, zitiert Lueg einen Schulleiter. Entsprechend nähmen sie ihre Journalistenschüler als berufliche Elite wahr. Tatsächlich schaffen diese es doppelt so häufig in relevante Positionen bei großen Zeitschriften und Leitmedien wie Journalisten mit anderer Ausbildung.
Genau genommen bedeutet das, dass die gehobene Mittelschicht im Journalismus den Ton angibt, Themen entsprechend aussucht und aufbereitet – wobei sie sich an ihrer Zielgruppe orientieren. In den Gesprächen mit Schulleitern fand Lueg heraus, dass – wie auch in der Wirtschaftswelt – der Habitus die größte Rolle bei der Aufnahme spielt: entscheidend sind ein Vertrauen erweckendes Auftreten, Medienkenntnisse, Gesprächsführungskompetenz, Sprachgefühl, Flexibilität und eine bescheidene Selbsteinschätzung. Das ist das kulturelle und soziale Kapital, das zählt. Ein auf den ersten Blick überraschendes Ergebnis ist, dass sich die Schüler aus den oberen Schichten fast gar nicht für eine Position als Chefredakteur in teressieren, sondern eher anstreben, »Edelfedern« zu werden – also Meinungsführer wie Kolumnisten, Leitartikler, Kommentatoren, Magazinjournalisten oder Auslandskorrespondenten. Das Berufsziel Chefredakteur hingegen haben zu einem überwältigenden Anteil Schüler aus den von Lueg am niedrigsten eingestuften Schichten an der Schulen. Für sie bedeutet eine Chefposition einen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg. Ein Grund dafür, dass Chefredakteure heute nicht mehr zwin gend die intellektuellen Wortführer sind, sondern in Zeiten der Medienkrise durchaus auch Geschäftsführer und Sanierer im eigenen Unternehmen, was viel Arbeit bedeutet, wenig Ansehen und im Vergleich zur Wirtschaft ein mittelmäßiges Gehalt. Eine solche Position ist für die höheren Schichten eher uninteressant. 272 Wer unternehmerisch tätig sein will, der geht gleich in die Wirtschaft. Und bei zum Beispiel McKinsey wird das Kehren mit dem eisernen Besen in anderen Unternehmen mit einem ordentlichen Salär und Anerkennung unter seinesgleichen verbunden.
Michael Hartmann erkennt im Journalismus ein selbsterhaltendes System: »Die Journalisten stammen ja überwiegend aus der Mittelschicht. Man hinterfragt dann Voraussetzungen nicht mehr, sondern vergewissert sich im wechselseitigen Gespräch.« Vor allem sei es einfacher, nach unten zu treten, als das komplizierte Geflecht von Wirtschaft und Macht zu entwirren: »Im Vergleich dazu erscheint Hartz IV simpel – davon hat man ein Bild, da hat man das Gefühl, was zu durchblicken.« Noch dazu ist es viel riskanter, sich mit den Mächtigen und dem herrschenden Mainstream anzulegen: »Das befördert keine Karriere.«
Hartman sagt, es gebe solche, die tatsächlich überzeugt seien von dem, was sie schreiben – weil sie sich eben auch in elitären Kreisen bewegen. Und andere, die zumindest ein ungutes Gefühl hätten angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung. »Die wollen aber einfach, dass es so ist, wie sie schreiben.« Sie klammerten sich dabei stets an den Glauben: »Kein Land ist so gut durch die Krise gekommen wie Deutschland.« Damit würde auch Hartz IV gerechtfertigt und nicht mehr hinterfragt: Ist nicht schön, geht aber nicht anders. Leider, leider! Nur allzu gern wird das als »unbequeme Wahrheit« verkauft – doch solche »unbequemen Wahrheiten« sind immer die denkbar bequemsten Ausflüchte der herrschenden Klasse. Dieser angehörige Kommentatoren und »Experten« wie der Ex-McKinsey-Manager Utz Claasen, Arnulf Baring, Hans-Olaf Henkel und der Ex-McKinsey-Chef Herbert Henzler dominieren nicht nur seit Jahren die Polittalkshows, sie erfreuen die Öffentlichkeit auch mit Büchern, in denen sie ihre individualisierten »Wahrheiten« verbreiten, die »Grenzen sozialer Gerechtigkeit« aufweisen (Baring) und, wie etwa Claasen, Deutschland attestieren, »über die Verhältnisse« zu leben – sich selbst und seinesgleichen natürlich ausgenommen.
Dominik Brunner, der Held von Solln: ein Mediencoup
In der Tiefgarage der Münchner Philharmonie parken schwarz glänzende Limousinen, Damen in Festtagsdirndl und Seidenrobe flanieren mit einem Glas Sekt in der Hand durch das Foyer des Konzerthauses. Es ist ein Samstagabend im September 2010, in der Philharmonie spielt das Münchner Rundfunkorchester ein Violinkonzert von Beethoven, mit dem Bachchor bringt es das
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