Wir müssen leider draußen bleiben
Belastung der 450 reichsten Deutschen mit einem jährlichen Mindesteinkommen von damals neun Millionen Euro hat sich allein zwischen 1998 und 2002 durch die Steuerreformen der ersten rot-grünen Bundesregierung von 41 auf 34,3 Prozent verringert. Bei den 45 reichsten Deutschen mit einem Mindesteinkommen von 22 Millionen Euro sank sie von 45 auf 32 Prozent, also um über ein Viertel. Der Durchschnittsdeutsche dagegen hat sein Vermögen zwischen 2002 und 2007 praktisch nicht steigern können, gerade einmal von 15 000 auf 15 288 Euro. Anders war dies bei den oberen zehn Prozent mit einem Vermögen von mindestens 222 295 Euro, die um 6,6 Prozent zulegen konnten. Und richtig gewonnen hat in dieser Zeit das eine Prozent an der Spitze, mit einem Vermögen von mindestens 817 181 Euro netto. Sie haben in fünf Jahren zehn Prozent dazu gewonnen. Das heißt, dass dieser sehr kleine Teil der Bevölkerung, der nahezu ein Viertel des gesamten Vermögens in Händen hält, fast 150 Milliarden dazukam hat. Die reichsten zehn Prozent haben Einnahmen von rund 100 Milliarden Euro, versteuern aber nur 20 Milliarden. Bei den oberen zehn Prozent der Bevölkerung – gemessen am Einkommen – bleiben etwa 80 Prozent der Einnahmen aus Vermögen völlig unversteuert. 248
»Mehr netto vom brutto« und »anstrengungsloser Wohlstand«: das gilt seitdem ausschließlich für die Reichen. Die große Koalition setzte den reichenfreundlichen Kurs fort und führte 2009 die sogenannte Abgeltungssteuer ein, die Kapitalerträge wie Zinsen oder Dividenden nur noch einheitlich mit 25 Prozent belastet. Und für Kapitalgesellschaften bleiben seit 2000 Gewinne völlig steuerfrei, die bei der Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen erzielt werden.
Zwar zahlte 2005 das reichste eine Prozent 22,7 Prozent aller Einkommenssteuern, die obersten zehn Prozent zahlten etwa die Hälfte der Einkommenssteuern. Ein Argument, das von »Leistungsträgern« gerne angeführt wird, wenn sie, so etwa von Peter Sloterdijk in seinem FAZ -Manifest Revolution der gebenden Hand , über die »Enteignung qua Einkommenssteuer« jammern. Die Wahrheit aber ist: Diese zehn Prozent erzielen auch 40 Prozent aller Einkünfte. Und ihr sonstiger Reichtum bleibt seit Abschaffung der Vermögenssteuer 1997 unberührt – seitdem hat der Staat 100 Milliarden Euro weniger Steuern eingenommen.
Noch dazu macht die Einkommensteuer gerade mal ein Drittel des Steuereinkommens aus. Und indirekte Abgaben wie die Mehrwertsteuer belasten vor allem mittlere und niedrige Einkommen erheblich mehr als Reiche. Mittlerweile leben in Deutschland nach den USA die meisten Vermögensmillionäre. 249 Im Jahr der beginnenden Finanzkrise 2007 kamen sogar noch 72 000 hinzu. Im Jahr 1998 gab es Deutschland 650 000 so genannter Dollarmillionäre, 2006 bereits 1,9 Millionen – eine Verdreifachung – dank dauernder Steuersenkungen für Reiche. 250
Reich durch sanktionierten Steuerbetrug
Das Buch Schön reich – Steuern zahlen die anderen. Wie eine ungerechte Politik den Vermögenden das Leben versüßt liest sich wie ein Wirtschaftskrimi. Sascha Adamek und Kim Otto, die beiden Autoren, haben mit Millionären gesprochen, mit Finanzbeamten und Steuerfahndern, sie haben Briefkastenfirmen enttarnt und die politischen Entscheidungen der ver gangenen Jahre beleuchtet. Sie kommen zu dem Ergebnis: »Die Bundesrepublik ist ein Steuerparadies für Superreiche.« 251
Reiche werden nicht nur mit großzügigen Steuererleichterungen belohnt, sondern auch von den Behörden weitgehend in Ruhe gelassen. Während der Hartz-IV-Empfänger für jeden Cent kontrolliert wird und bei dem geringsten Missbrauch härteste Strafen zu befürchten hat, werden im Schnitt nur 15 Prozent der deutschen Einkommensmillionäre regelmäßig geprüft. Dabei, das hat der Bundesrechnungshof ermittelt, führt jede Kontrolle bei Einkommensmillionären zu einer Nachforderung von im Schnitt 135 000 Euro. Hochgerechnet auf die 16 000 Einkommensmillionäre (Im Unterschied zu den Dollarmillionären, deren ganzes Vermögen berechnet wird, haben diese allein ein Einkommen in Millionhöhe, sind also Teil der Dollarmillionäre) wäre das ein Steuerausfall von mindestens 1,7 Milliarden Euro. Doch die Personaldecke in den Finanzämtern ist außerordentlich dünn. Und sie wird weiter ausgedünnt. 2700 Betriebsprüfer und 300 Steuerfahnder fehlen in Deutschland, obwohl sie dem Staat mehr einbringen, als sie ihn kosten: Jeder Betriebsprüfer treibt im Jahr
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