Wir neuen Großvaeter
nur Ablehnung für ihre unkonventionellen Methoden. »Mir geht die Unterstellung auf die Nerven, dass Kinder es immer lustig haben wollen«, meint beispielsweise die Kindheitsforscherin Donata Elschenbroich (in: Der Spiegel vom 7.2.2011). »So viel lachen Kinder gar nicht. Wenn sie sich konzentrieren, sehen sie richtig grimmig aus.« Ständiges Ãben gehöre nun mal dazu, um sich neue Erkenntnisse anzueignen.
Dem kann ich nur zustimmen: Am Beispiel meiner Enkel Leo, Max und Ferdinand habe ich erlebt, mit welcher Beharrlichkeit sie das Laufen übten. Erst rutschten sie mit dem Po über den Boden, krabbelten durch die Wohnung, zogen sich an Stühlen und Tischen hoch, liefen ein paar Meter, purzelten hin und standen immer wieder auf. Unaufhörlich. »Ohne Ãben geht eben nichts«, sagt Donata Elschenbroich. »Man braucht mindestens 10.000 Stunden, um in einem Sport oder an einem Instrument souverän zu werden.«
Als GroÃvater habe ich kapiert, dass Bildung schon in der Krippe beginnt, und das Streben danach ein Leben lang währt.
In die Diskussion um die Erziehungspraktiken von Amy Chua haben sich inzwischen auch Jim-Knopf-Leser eingemischt. In der Filmversion von Michael Endes Kinderbuch Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer droht die Drachenfrau Mahlzahn ihren Schülern in der Drachenschule: »Kinder müssen lernen, lernen, lernen! Und wenn sie nicht lernen, dann setzt es Hiebe, Hiebe, Hiebe!«
Abgesehen von den Hieben klingt dies bei Amy Chua ähnlich. Für Michael Ende allerdings war die Schule eine langjährige Tortur â ein Albtraum â und die von ihm erfundene »Frau
Mahlzahn« eine Attacke auf das Schulsystem seiner Kindheit, in der sich manche der Lehrer »wie Drachen aufführten«.
Ich kenne keine junge Mutter, die sich nicht den Kopf zermartert über den besten Kindergarten, die ideale Grundschule und das tollste Gymnasium. Und es ist schon eine Ãberlegung wert, ob nicht in der Erziehung unserer Kinder und Enkel Standards gesetzt und klare Erwartungen formuliert werden sollten. Leider ist die Welt voller Selbstverwirklicher, die weit unter ihren Möglichkeiten geblieben sind.
Die Bedeutung von Wissen kann nicht mehr geleugnet werden kann. Mit Wissen und Information werden Geld verdient und Karrieren eingeleitet. Wissen wird nicht mehr wie früher von der älteren Generation an die jüngere weitergegeben. Dafür ist Wissen längst zu komplex geworden und gilt als ein öffentliches Gut, auf das jeder per Tastendruck zurückgreifen kann.
Für meine Enkel und die meisten anderen Kinder ist der erste fremde Ort, von dem aus sie die Welt erkunden, der Kindergarten. Ãber Jahrzehnte war er im Idealfall ein von den Stürmen der Zeit abgeschirmtes Refugium, in dem die kleinen Prinzessinnen und Prinzen in einer Art Märchenland aufwachsen konnten. Plötzlich ist der Kindergarten nicht mehr nur eine Betreuungsstätte, sondern vor allem eine Bildungsanstalt. Vater und Mutter allein können Erziehungsaufgaben nicht stemmen und vor allem fehlende Spielkameraden nicht ersetzen, auch wenn sie noch so einfühlsam auf ihren Sprössling eingehen.
GroÃväter sind Ratgeber. Und am beliebtesten sind sie in ihrer Umgebung, wenn sie sich in die Erziehung der Enkel nicht einmischen.
So habe ich mir eine warnende Stimme verkniffen, als es darum ging, ob Leo, Max und Ferdinand schon als Kleinkinder Absolventen einer Krabbelgruppe werden sollten. Manchmal haben sie geweint, als sie von den Eltern â und hin und wieder auch von den GroÃeltern â dort abgesetzt wurden. Mein schlechtes Gewissen beruhigten die Erzieherinnen stets mit den schlichten Worten: »In ein paar Minuten ist er wieder froh!« Auch beim Abholen hörte ich immer wieder: »Er hatte einen schönen Tag!«
Was jedoch wirklich in den Kindern vorgeht, welche Ãngste die Kleinen plagen und was sie vermissen, können wir nur ahnen. Viele Eltern verstehen unter guter Betreuung die bestmögliche Vorbereitung auf eine spätere akademische Karriere ihrer Kinder, nach dem Motto: Wenn wir schon ein Kind haben, dann soll es ein erfolgreicher Mensch werden!
»Das Kind kommt nicht auf die Welt, um die Erwartungen der Eltern zu erfüllen, sondern es soll das Wesen zum Ausdruck bringen, das in ihm angelegt ist«, mahnt Remo Largo.
Trotz aller guten Absichten fragen sich viele Eltern, ob ihre Kinder in der Krabbelstube
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