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Wir sehen uns in Paris

Wir sehen uns in Paris

Titel: Wir sehen uns in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kolloch Elisabeth Zöller
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war alles andere als harmlos. Immer gibt es im Kiez einen, der das Sagen haben will. Und Harpo ist so einer. Der diskutiert nicht. Die Meute um ihn herum johlte, als John auch die Reserven herausrücken musste, die er bei Danni deponiert hatte. Und dann eröffnete ihm Harpo, dass er den Ladenschlüssel besorgen sollte.
    Als John Danni später am Abend davon erzählte, stand ihr Urteil schnell fest: »Du musst abhauen, John. Das Ganze hier ist nichts für dich und gegen Harpo hast du keine Chance.« Sie hatte ihn eindringlich angesehen. »Harpo ist gefährlich.«

Es ist schon spät, aber Hannah sitzt noch an ihrem Schreibtisch und macht Mathehausaufgaben. Sie haben heute im Unterricht über die Schmetterlingstheorie gesprochen.
    »Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen?«, fragte Herr Sandmann, ihr Mathelehrer. Nur so, es gehörte gar nicht zum eigentlichen Mathestoff. Aber Herr Sandmann macht das manchmal. »Ich möchte, dass ihr euch eigene Gedanken macht«, sagt er in solchen Augenblicken. Hannah liebt diese Ausflüge.
    Isabella auch und sie hatte sich prompt gemeldet. »Hat das was damit zu tun, dass mir, wenn ich morgens um halb acht aus dem Haus gehe, andere Dinge passieren, als wenn ich um fünf vor acht das Haus verlasse?«
    »Quatsch!«, hatte Finn Blatschke in die Klasse gebrüllt. »Wenn du um halb acht aus dem Haus gehst, kommst du nicht zu spät zur Schule. Gehst du um fünf vor acht, bist du zu spät, aber besser ausgeschlafen.« Herr Sandmann hatte nur gelächelt und Finn an die Tafel gebeten: »Tja, Finn, Isabella hat schon recht. Denn hättest du jetzt nicht in die Klasse gebrüllt, ohne aufzuzeigen, wäre ich nicht auf dich aufmerksam geworden und du müsstest jetzt nicht die nächste Gleichung an der Tafel lösen.« Bei dem Gedanken an Finns sauren Gesichtsausdruck muss Hannah jetzt noch kichern.
    Doch irgendwie lässt sie dieses mulmige Gefühl im Bauch nicht los. Nicht wegen der Hausaufgaben. Nein, es ist wegen Isabella.
    Eigentlich wollte Isa heute Abend gleich mit Clara telefonieren und ihr sagen, dass sie kommt. Und danach, das hatte sie versprochen, wollte sie sich direkt bei Hannah melden. Aber ihr Handy liegt neben den Heften und Büchern und macht keinen Mucks.
    Hannah hat das Gefühl, dass Isabella es darauf ankommen lassen will. Sie will keinem Bescheid sagen, lässt alles laufen. Nach dem Motto: Sollen doch die Erwachsenen auch mal schmoren.
    Hannah starrt wieder auf ihr Handy, als könnte sie es dadurch zum Klingeln bringen. Und Isabella ruft nicht an.
    Stattdessen klopft es an ihrer Zimmertür. Zweimal kurz, einmal lang. Das ist bestimmt Ben, der sich vorm Abwasch drücken will und lieber ein bisschen in Hannahs Zimmer herumhängt. Typisch! Hannah seufzt. Auf ihren kleinen Bruder hat sie jetzt gerade eigentlich keine Lust. Trotzdem steht sie auf und öffnet die Tür.
    Ben sieht sofort, dass etwas mit Hannah nicht stimmt. Er schaut sie fragend an und Hannah muss ein bisschen schmunzeln. Ben ist eigentlich genau in dem Alter, in dem Jungen alle Mädchen blöd finden. Doch er macht zwei Ausnahmen: Seine Schwester und Isabella. Ben himmelt Isabella an. Heimlich allerdings. Manchmal tätschelt sie seinen Kopf, streicht ihm über das Haar oder wischt ihm eine Strähne aus der Stirn. Das findet Ben natürlich doof. Oder besser: Er tut so, als fände er es doof. Aber in Wirklichkeit genießt er es. Das ist auf jeden Fall Hannahs Meinung.
    »Was ist?«, bohrt Ben weiter nach. »Ist jemand gestorben?«
    Vorsichtig schüttelt Hannah den Kopf. Sie sieht, dass Ben damit nicht zufrieden ist, aber sie wird eisern schweigen. Das hat sie schließlich versprochen und da ist auch Ben keine Ausnahme.
    »Nein, nichts ist passiert«, sagt sie und baut sich so in der Tür auf, dass Ben nicht auf die Idee kommt, einfach in ihr Zimmer zu laufen. »Alles in Ordnung, Kleiner. Ehrlich.«
    Im selben Moment tut ihr das schon leid. Kleiner darf sie nicht sagen. Niemand darf das zu Ben sagen. Beleidigt zieht er ab, verkrümelt sich in sein Zimmer, knallt die Tür, so laut, dass die Wohnung fast wackelt.
    Viel später und schlaflos im Bett überlegt Hannah fieberhaft, ob sie Isabella nicht ausreden muss, allein nach Paris zu fahren. Doch sie weiß, dass das nicht funktionieren wird. Nicht bei Isabella. Sie kennt ihre beste Freundin zu gut.
    Draußen weht eine sanfte Brise durch das Blätterdach der Kastanie. Es raschelt und rauscht. Und obwohl es immer noch sehr warm

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