Wir sind die Nacht
in sportlichem Outfit und mit hochgestecktem Haar, eine modische Sporttasche über der Schulter.
»Also los«, sagte sie aufgeräumt. »Ready for take-off. Bitte schnallen Sie sich an, stellen Sie Ihre Sitzlehnen senkrecht, und klappen die Tische vor sich zurück. Wir sammeln Nora unterwegs ein. Der Wellness-Bereich ist im Keller, gleich neben der Tiefgarage.«
Um dorthin zu gelangen, mussten sie die Lobby durchqueren, in der jede Menge Betrieb herrschte. Mit dem Aufzug wären sie direkt in den großen Wellness-Bereich des Hotels gelangt, aber da sie die Treppe genommen hatten, mussten sie tatsächlich durch die Tiefgarage. Während sie mit raschen Schritten
auf eine mit einem Schwimmbad-Piktogramm gekennzeichnete Tür zugingen, fiel Lena auf, dass Louise an einem ganz bestimmten Wagen Interesse gefunden zu haben schien. Man musste kein Autofreak sein, um dieses Prachtstück zu bewundern: einen flachen weißen Ferrari mit getönten Scheiben, der wie ein sprungbereites Raubtier neben der Ausfahrt stand.
Louise öffnete die Tür und gestikulierte gleichzeitig zu einer der Überwachungskameras hoch. Im ersten Moment verstand Lena nicht, was das sollte, dann aber verstand sie: Die Kamera war genau auf die Tür gerichtet, und wenn irgendjemand in diesem Moment auf den dazugehörigen Monitor sah, würde er sich wundern, warum sie auf- und zuging, ohne dass jemand in der Nähe war. Sie sollte sich also beeilen.
Auch die Erholungsoase protzte mit demselben Luxus wie das übrige Hotel. Vom übergroßen Pool mit Wellengang bis hin zu einer schlichten finnischen Sauna war alles geboten, was das Herz des Gesundheitsfanatikers begehrte. Die eine Seite der riesigen Poolhalle bestand komplett aus Glas, und Lena schrak instinktiv vor dem riesigen Panoramafenster zurück, obwohl die Sonne schon lange dahinter untergegangen war. Charlotte verzog amüsiert das Gesicht, sparte sich aber jeden Kommentar, und auch Louise deutete nur mit einer knappen Kopfbewegung auf die andere Seite des Pools. In der Luft hing ein durchdringender Chlorgeruch, und obwohl sich nur wenige Gäste im Wasser aufhielten, hallte der große Raum wie vom Getöse eines Fußballstadions wider. Ein halbes Dutzend Kinder kreischte jedes Mal in gespielter Panik auf, wenn eine der künstlichen Wellen heranrollte. Das Wasser spritzte fast bis zur Decke hoch und ergoss sich platschend über den Beckenrand.
Eines der herumplanschenden Kinder starrte Lena auf einmal aus großen Augen an. Es war ein etwa siebenjähriges Mädchen mit einem süßen Gesicht und schulterlangen Goldlöckchen, das ängstlich zwischen Lena und der deckenhohen
Panoramascheibe hinter ihr hin- und herblickte. Lena konnte sehen, wie dem Mädchen alles Blut aus dem Gesicht wich. Gleich würde es auf Lena deuten und panisch losschreien. Lena fing den Blick der Kleinen ein und lächelte ihr so freundlich zu, wie sie konnte. Das Mädchen gab ein ersticktes Japsen von sich, als es Lenas spitze Eckzähne sah und das Versprechen auf Tod oder Schlimmeres in ihren Augen las. Im nächsten Moment schlug eine Welle über ihm zusammen und drückte es so heftig unter Wasser, dass gleich zwei der versammelten Mütter nach ihm tauchten.
»Gut reagiert«, sagte Louise.
»Wenn auch pädagogisch höchst zweifelhaft«, fügte Charlotte hinzu. Beide klangen im gleichen Maß amüsiert.
Hinter ihnen tauchten die beiden tapferen Lebensretterinnen wieder aus den Wellen auf und zerrten das wild um sich schlagende, japsende und kreischende Mädchen an die Oberfläche. In einem Punkt hatte Charlotte recht, dachte Lena: Bei der Supernanny würde sie mit dieser Nummer vermutlich nicht punkten. Aber es funktionierte, denn niemand interessierte sich mehr für Louise, Charlotte oder sie. Oder gar ihre nicht existierenden Spiegelbilder.
»Das Küken lernt schnell, findest du nicht?«, sagte Charlotte.
»Ganz zweifellos«, bestätigte Louise.
Lena sagte nichts dazu. Sie hatten den Pool umkreist und betraten den Saunabereich auf der anderen Seite, einen schmalen, nur schwach erleuchteten Gang, der mit edlen Hölzern getäfelt war und mit einem ganzen Wirbelsturm der unterschiedlichsten Wohlgerüche über ihre Sinne hereinfiel. Ein halbes Dutzend Türen zweigten von dem schmalen Gang ab, allesamt in mehr oder weniger skandinavischem Stil gehalten und mit kleinen Zifferntastaturen anstelle von Türklinken.
»Wartet hier«, sagte Louise. »Ich hole sie.«
Sie öffnete eine der Türen und verschwand dahinter. Lena
blieb gehorsam
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