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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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Es drang zwar nur gedämpft durch die geschlossenen Vorhänge, stach aber dennoch wie mit Messern in ihre Augen. Kurz: Sie hatte einen Kater. Und das sollte doch erstens eigentlich unmöglich sein und kam ihr zweitens reichlich unfair vor; schließlich hatte sie überhaupt nichts getrunken.
    Geräusche und ein leises, aber emsiges Hantieren aus dem Bad drangen an ihr Ohr. Als sie die Augen aufschlug, sah sie, dass die Tür offen stand. Durch das Oberlicht fiel Helligkeit in einem Maß herein, dass das dumpfe Hämmern hinter ihren Schläfen noch schlimmer wurde. Die Dämmerung war schon fast hereingebrochen und die Sonne entsprechend weitergewandert, eine Gefahr sollte also nicht mehr bestehen.
    Trotzdem bewegte sie sich auf dem Weg zum Bad mit großer Vorsicht. Der Anblick, der sich ihr dort bot, war sonderbar. Charlotte saß, nur mit einem dünnen Nachthemd bekleidet, an dem großen Schminktisch aus Marmor und trug Rouge und Wimperntusche auf, wobei sie sich im Spiegel zu betrachten schien, obwohl darin weder sie noch ihre Schminkutensilien zu sehen waren, sondern nur der Stuhl, auf dem sie saß. Louise war damit beschäftigt, lange Streifen Toilettenpapier abzurollen und die Toilette hinunterzuspülen.
Weder das eine noch das andere schien den geringsten Sinn zu ergeben.
    »Es gibt nichts Schwatzhafteres als Zimmermädchen und Putzfrauen«, sagte Louise, ohne sich zu ihr herumzudrehen. »Sie würden anfangen, dummes Zeug zu reden, wenn sie feststellen, dass wir kein Toilettenpapier verbrauchen.«
    »Oder uns nicht vor dem Spiegel schminken«, fügte Charlotte hinzu, ebenfalls ohne sich umzudrehen.
    »Verbrauchen wir denn keins?«, fragte Lena verwirrt.
    Louise sah nun doch spöttisch über die Schulter. »Wann warst du das letzte Mal auf der Toilette, Liebes?«
    Lena sah sie verdutzt an. »Vor … zwei Tagen?«, murmelte sie dann. »Drei?«
    »Siehst du?«, sagte Louise.
    »Wir müssen nicht müssen«, sagte Charlotte. Obwohl sie sich im Spiegel nicht sah, zog sie den Lidstrich über ihrem Auge mit einer unvorstellbaren Präzision. »Ungemein praktisch auf langen Autofahrten oder Rockkonzerten. Kein endloses Anstehen vor den Toiletten, keine Suche nach Kleingeld, kein Rumgezicke auf dem Mädchenklo …«
    »Unsere Körper verwerten alles restlos«, sagte sie, »sogar wenn wir feste Nahrung zu uns nehmen … solange wir es nicht übertreiben.«
    »Ja, einer der Gründe, weshalb ich nicht so gern ins Restaurant gehe«, fügte Charlotte hinzu. »Manche Dinge aus meinem früheren Leben vermisse ich gar nicht so sehr.«
    »Und ein anderer Grund ist das allgemeine Rauchverbot, nehme ich an?«
    Charlotte ignorierte die Bemerkung. »Was macht dein Kopf, Kleines?«, erkundigte sie sich liebenswürdig.
    »Er tut weh«, antwortete Lena wahrheitsgemäß. »Aber wahrscheinlich kann ich so was wie Aspirin jetzt auch vergessen, oder?«

    Charlotte und Louise nickten simultan. Irgendwie, fand Lena, sahen die beiden ziemlich schadenfroh aus.
    »Woher wisst ihr überhaupt, dass mir der Kopf dröhnt?«, fragte sie.
    »Noras Blut hat es in sich, wie?«, feixte Charlotte. Sie hob den Arm und drehte das Handgelenk in Lenas Richtung. »Aber was glaubst du, wie sie sich erst fühlt? Du hattest nur einen Schluck, aber sie hat weit mehr gebraucht. Ich möchte im Augenblick nicht mit ihr tauschen.«
    »Das heißt, das passiert immer, wenn ihr …« Lena verbesserte sich, obwohl sie ein unbehagliches Gefühl dabei hatte. »… wenn wir das Blut eines anderen Vampirs trinken?«
    »Nein«, antwortete Louise. »Manchmal sterben wir auch daran.«
    »Oh.« Lena sah sie betroffen an. »Das wusste ich nicht.«
    Louise betätigte abermals die Spülung. »Da gibt es eben das eine oder andere, was du noch lernen musst.« Sie versetzte dem hydraulischen Toilettendeckel einen sachten Stups, so dass er sich lautlos senkte, und warf die leere Rolle in den Abfallkorb. »Komm mit. Schauen wir mal, was wir gegen deinen Brummschädel tun können.«
    Lena folgte ihr zurück in den Wohnraum. Louise öffnete den kleinen Tiefkühlschrank an der Bar und nahm zwei beschlagene Gläser mit einer dunkelroten Flüssigkeit heraus.
    »Trink.«
    »Und das hilft?«, fragte Lena zweifelnd.
    »Manches ändert sich nie«, antwortete Louise amüsiert. »Oder hast du noch nie gehört, dass man nach einer durchzechten Nacht mit demselben anfangen soll, womit man aufgehört hat?«
    Lena verschluckte sich beinahe an den letzten Tropfen und starrte das Glas in ihrer Hand an.
    »Das

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