Wir sind die Nacht
nicht nur von heulenden Querschlägern erfüllt, sondern auch von einem Hagel gefährlicher scharfkantiger Keramiksplitter. Lena kroch hastig rückwärts davon.
Irgendwo polterten Schritte. Das Schießen hatte aufgehört, aber nun hörte sie gedämpfte Schritte und Stimmen, die aufgeregt durcheinanderflüsterten. Die Stimmen wurden deutlicher, und Lena erkannte nun auch, dass sie russisch sprachen.
Sie musste hier weg. Weder von Louise noch den beiden anderen war etwas zu sehen oder zu hören. Sie wusste, wozu Louise, Charlotte und Nora fähig waren, aber ihre Gegner hatten Waffen, die sie durchaus töten konnten, und Charlotte und Nora waren verletzt; Charlotte vielleicht sogar tödlich. Wenn sie hierblieb, dann erging es ihr genauso.
Lena nahm all ihren Mut zusammen und wartete, bis sich die Stimmen und Schritte wieder entfernten. Ein einzelner, weit entfernter Schuss fiel, und sie beschloss, die Gelegenheit zu nutzen, um sich ein besseres Versteck zu suchen - auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie es aussehen sollte. Mit angehaltenem Atem robbte sie ein kurzes Stück weiter und erstarrte dann zur Salzsäule, weil ein fingerdicker blauer Lichtstrahl kaum eine Handbreit neben ihr über den gefliesten Boden strich. Wieder ploppte ein schallgedämpfter Schuss, diesmal aber nicht vom Zerbersten einer Fliese beantwortet, sondern von einem seltsamen weichen Laut, als hätte die Kugel Fleisch getroffen.
Sie schüttelte diesen Gedanken ab, kroch weiter und schlug ganz instinktiv die Richtung ein, aus der sie gekommen war. Jenseits des eigentlichen Clubs gab es ein ganzes Labyrinth von
Räumen, in denen sie sich vielleicht verstecken konnte, bis alles vorbei war.
Und dann?, flüsterte es hinter ihrer Stirn. Was, wenn die Russen Louise, Charlotte und Nora töteten und sie als Einzige übrig blieb? Die Unsterblichkeit, die Louise ihr versprochen hatte, würde vielleicht nur ein paar Tage dauern …
Jemand schrie, und wieder fielen Schüsse. Einer der großen Scheinwerfer unter der Decke explodierte in einem Funkenschauer, und für den Bruchteil einer Sekunde sah Lena etwas gleichermaßen Bizarres wie Grauenhaftes: Was sie am Abend nur als Umriss, den der strömende Regen ausließ, an der Wand über sich erahnt hatte, das stand nun geduckt über ihr am Beckenrand, ein spinnengliedriges graues Ding, nackt und sehnig und mit furchtbaren Krallenhänden und einem flachen grauen Albtraumgesicht, das nur aus riesigen Augen und einem Maul voller nadelspitzer, krumm und schief gewachsener Zähne bestand.
Der Funkenschauer erlosch, und die Albtraumkreatur verschmolz wieder mit der Dunkelheit, aber die Gnade, es nur als schreckliches Trugbild abzutun, wurde Lena nicht gewährt. Jetzt spürte sie ihre Anwesenheit und ihre Bewegungen, ein abgehacktes, eckiges Huschen, Bewegungen, die tatsächlich mehr an die einer Spinne oder einer riesigen Gottesanbeterin erinnerten. Wieder fiel ein Schuss, und Lena huschte geduckt weiter, völlig blind und sich nur auf die Erinnerungen ihrer Schritte verlassend, die denselben Weg zurückfanden, den sie vorhin gekommen war. Hinter ihr geisterten fadendünne Linien aus blauem Tod durch die Schwärze, und sie hörte ein Zischen wie von nassem Papier, das schlagartig Feuer fing, und wieder Schreie und Schüsse, in die sich ein schreckliches nasses Reißen mischte. Dann ertastete sie zitternd eine Türklinke und drückte sie herunter.
Und Lena trat nun endgültig in einen Albtraum hinein. Der
Korridor hinter der Tür war nicht leer, aber es war auch kein Mensch, dem sie gegenüberstand. Von irgendwoher kam Licht, nicht mehr als ein blasser Hauch, für ihre empfindlichen Augen aber mehr als genug, um das Ungeheuer zu erkennen, dem sie geradewegs in die Arme gelaufen war. Zu den Todesstrahlen aus der siebten Galaxie gesellten sich jetzt auch noch die Aliens. Das Ding vor ihr war so groß und breitschultrig, dass es unmöglich ein Mensch sein konnte. Es hatte zwei Arme, zwei Beine und trug absurderweise einen grauen Sommeranzug, aber wo sein Gesicht sein sollte, starrte sie ein Albtraum aus Metall und blitzenden Linsen und scharfkantigen Klingen an, die gnadenlose Larve eines Killer-Roboters, der gekommen war, um die Welt endgültig in den Wahnsinn zu stürzen.
Vielleicht rettete ihr einzig der Umstand das Leben, dass sie einen Sekundenbruchteil schneller reagierte als ihr gespenstisches Gegenüber. Das Ding stieß ein sonderbar metallisches Knurren aus und riss seine Strahlenwaffe in die Höhe, worauf
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