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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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uralte, unvorstellbar starke Gewalt, die Besitz von ihr ergreifen und ihr die Kraft geben wollte, sich auf den Vampir zu stürzen und ihn einfach in Stücke zu reißen. Und vielleicht hätte sie es sogar gekonnt … aber diese Kraft war zugleich auch die Gier, Teil des rasenden Hungers, der sie so quälte, und da war etwas wie eine allerletzte finale Grenze, jenseits deren es keine Umkehr und kein Zurück mehr gab.
    Und da war plötzlich wieder die Erinnerung an dieses insektenhafte graue … Ding , das sie gesehen hatte, ein grässlicher Hybrid aus Spinne und Gottesanbeterin und noch viel Entsetzlicherem, das absolut nichts Menschliches mehr gehabt hatte. Sie konnte es nicht. Den lodernden Vulkan aus Zorn am Ausbrechen zu hindern kostete sie beinahe genauso viel Kraft, wie bei Bewusstsein zu bleiben, aber irgendwie gelang es ihr. Zitternd hockte sie da und beobachtete den gespenstischen Kampf, den sich Anton und die beiden Frauen lieferten.
    Ihre Bewegungen waren so schnell, dass sie zu einem Tanz der Schatten zu werden schienen, eine Szene aus einem Ninja-Film, die mit zehnfacher Geschwindigkeit ablief. Irgendwie war es Charlotte gelungen, sich loszureißen, und auch Nora war wieder
auf den Beinen - aber Lena sah auch, dass sie nicht einmal gemeinsam eine Chance gegen den Russen hatten. Antons Bewegungen waren im Vergleich zu denen Charlottes und Noras so schnell wie die ihren gegen die eines normalen Menschen, und während er ihre Hiebe und Tritte kaum zu spüren schien, taumelten die beiden Frauen unter seinen Attacken. Noch ein paar Augenblicke, und es war vorbei. Anton würde Charlotte töten, er würde Nora töten, und dann würde er sie umbringen, falls er ihr nicht etwas noch weit Schlimmeres antat.
    Sie versuchte sich hochzustemmen, sank mit einem Wimmern wieder zurück und stieß mit dem Fuß gegen etwas Schweres, Glitzerndes, das mit einem Scheppern ein Stück weit davonrutschte. Sie griff danach und erkannte es als die umgebaute Pistole, die Anton gerade so achtlos fallen lassen hatte.
    Zielen und abdrücken war praktisch eines. Der Rückstoß der schweren Waffe hätte ihr bestimmt das Handgelenk gebrochen, wäre sie noch ein normaler Mensch gewesen, aber auch so reichte er, um den Schuss zu verreißen, so dass die Kugel weit neben dem Russen Funken aus der Wand schlug und als Querschläger davonheulte.
    Dafür traf der tödliche Lichtstrahl umso genauer, brannte ein rauchendes Loch dort in sein Gesicht, wo gerade noch sein Auge gewesen war, und ließ die Hälfte seines Schädels in Flammen aufgehen. Anton kreischte und schlug beide Hände vors Gesicht, erreichte damit aber kaum mehr, als dass nun auch noch die linke Hand zu schmelzen begann.
    Aber er fiel nicht. Er wich auch nicht zurück, sondern schleuderte Nora nur mit einem unmenschlichen Brüllen zur Seite und - stürmte auf Lena zu!
    Das war unmöglich!, dachte Lena entsetzt. Er mochte unsterblich sein, aber das konnte er nicht aushalten! Der Lichtstrahl brannte das Fleisch so mühelos von seinen Knochen wie die Flamme eines Schweißbrenners Butter von einer Scheibe
Brot, aber er rannte einfach weiter, direkt in den verzehrenden Strahl hinein. Noch bevor Lena auf die Idee kam, das tödliche Licht auch auf sein anderes Auge zu lenken und ihn zu blenden, war er auch schon heran und prellte ihr die Waffe mit einem Tritt aus den Fingern, der ihre Handgelenksknochen wie Glas zerbersten ließ. Der Schmerz war schlimm, aber seltsam irrelevant, vielleicht weil sie wusste, dass der nächste Hieb sie töten würde.
    Der Hieb kam nicht. Ein schlanker grauer Schemen tauchte plötzlich hinter ihm auf, riss ihn so mühelos in die Höhe, als wöge er nichts, und warf ihn wie ein Spielzeug gegen die Wand. Noch bevor er vollends zu Boden gesackt war, waren Charlotte und Nora über ihm und drangen mit Zähnen und tödlichen Raubvogelklauen auf ihn ein. Nur eine Sekunde später gesellte sich auch Louise zu ihnen, und aus dem bizarren Kampf wurde endgültig ein Chaos aus tobenden Schatten und reiner, zerstörerischer Bewegung.
    Lena wälzte sich mühsam herum und versuchte die neuerliche Qual zu ignorieren, mit der ihr gesplittertes Handgelenk wieder zusammenwuchs.
    Verzweifelt suchte sie nach der Waffe, die Anton ihr aus der Hand getreten hatte. Bisher hatte sie Louise und die beiden anderen für vollkommen unbesiegbar gehalten, und bis zu einem gewissen Punkt entsprach das auch sicher den Tatsachen - aber Anton war genau wie sie, und damit waren es wieder drei ganz

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