Wir sind die Nacht
hinauf.
Auch hier oben schrillte der Feueralarm, und die Panik war eher noch größer. Menschen hasteten durcheinander und schrien sinnlos herum, und vor den großen Glastüren hatte sich bereits ein Auflauf gebildet; mindestens ein Dutzend wild lärmender und gestikulierender Männer und Frauen, die von einer kaum weniger großen Anzahl SEK-Beamter am Verlassen des Hotels gehindert wurden. Noch mehr Polizisten mit drohend gezückten MPis und grimmigen Blicken blockierten die Treppe in beide Richtungen, und Lena sah gerade noch einen weiteren Trupp SEKler auf den Stufen nach oben verschwinden.
Hatten Tom und sein Kollege die gesamte Polizei der Stadt mitgebracht?
»Zum Aufzug«, sagte Charlotte. »Schnell!«
Rasch, aber ohne zu rennen, steuerten sie die gegenüberliegende Wand an. Zwei der vier Liftkabinen waren da und warteten mit einladend offen stehenden Türen auf sie, und Lena schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass nicht irgendein übereifriger Hotelangestellter auf die Idee gekommen war, die Aufzüge abzuschalten, wie es im Fall eines Feueralarms geraten wurde. Sie hoffte zudem, dass ihre angesengten Kleider in dem allgemeinen Chaos hier nicht bemerkt wurden.
Ihre Wünsche gingen beide in Erfüllung - niemand nahm Notiz von Charlotte und ihr, und die Lifttür schloss sich gehorsam, als Charlotte den Knopf für die obere Etage drückte -, aber damit hörte ihre Glückssträhne auch schon wieder auf. Dicht hintereinander stürmten Lummer, Tom und ein ebenso nasser wie übel gelaunter SEK-Beamter aus dem Parkhaus herauf. »Die Frauen da!«, brüllte Lummer. »Aufhalten! Sofort!«
Unverzüglich setzte sich nahezu ein halbes Dutzend SEK-Beamter in Bewegung, und die Lifttür schien sich im gleichen Maße langsamer zu bewegen, in dem die SEKler näher kamen. Lena wusste, dass sie es trotzdem schaffen würden, und Toms Kollege war wohl zu demselben Schluss gekommen, denn er zerrte eine kurzläufige Waffe unter der Jacke hervor und legte auf sie an. Als Letztes sah Lena, wie Tom den Arm des Mannes nach oben schlug, dann schloss sich die Lifttür endgültig, und die Kabine setzte sich in Bewegung. Falls sich ein Schuss löste, dann ging das Geräusch im allgemeinen Lärm und Getöse in der Lobby unter.
»Das ging schnell«, sagte Charlotte.
»Der Lift?«
»Dass sie hier auftauchen. Dein kleiner Romeo scheint ja mächtig scharf auf dich zu sein.«
»Ja«, grollte Lena. »Und die restliche Polizei des gesamten Landes auch, wie es aussieht.«
Charlotte wirkte eher nachdenklich als bestürzt, sagte aber nichts dazu, sondern blickte die Etagenanzeige über der Tür so angestrengt an, als glaubte sie, den Aufzug schneller machen zu können, wenn sie sich nur entschlossen genug darum bemühte. Lena wusste, dass es nichts nutzen würde.
»Die Polizei ist über die Treppe unterwegs«, sagte sie.
Charlotte starrte weiter die Anzeigetafel an.
»Sie sind garantiert schneller als dieser Aufzug«, sagte Lena.
Diesmal schenkte ihr Charlotte immerhin einen missmutigen Blick, schwieg aber beharrlich weiter.
»Die Jungs sind gut in Form«, fuhr Lena fort. »Und sie werden auf uns warten.«
»Wenn sie wüssten, wer in diesem Lift ist.«
»Sie haben Funk.«
Charlotte seufzte. »Weißt du, Liebes«, sagte sie, »es sind genau Momente wie diese, in denen ich wieder weiß, warum man es die gute alte Zeit nennt.« Und damit schlug sie mit solcher Gewalt auf die Schalttafel neben der Tür, dass sie sich in ein Gewirr aus Plastiksplittern und giftigem Rauch verwandelte und der Lift mit einem Ruck anhielt. Die Anzeige über der Tür begann zwischen zwei Etagen hin- und herzuspringen.
»Ja, das ist clever«, sagte Lena. »So kommen sie jedenfalls nicht so schnell hier rein.«
Statt zu antworten, bedachte Charlotte sie noch einmal mit einem ärgerlichen Blick, als gäbe sie ganz allein ihr die Schuld an ihrer misslichen Lage, legte dann den Kopf in den Nacken und betrachtete kritisch die Deckenverkleidung. Lena war schon auf dieselbe Idee gekommen, aber sie sparte es sich, Charlottes Blick zu folgen, denn ihre Erinnerung an diese Liftkabine sagte ihr, dass es die Deckenklappe, die man als Auftakt zu zahllosen Actionszenen aus ebenso vielen Hollywoodfilmen kannte, hier
ebenso wenig gab wie in irgendeinem anderen Aufzug, in dem sie jemals gewesen war.
Charlotte brauchte eine solche Klappe aber auch nicht. Sie bastelte sich ihren eigenen Ausgang. Nahezu ansatzlos sprang sie in die Höhe, rammte die Finger durch das vermeintliche
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