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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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gekonnt. Strigoi hin oder her, Stepan war angeschlagen und absolut hilflos gewesen.
    »Weil wir einander nicht töten«, antwortete Louise. »Ganz einfach.«
    »Stepan war da anderer Meinung«, sagte Lena. »Er hätte mich umgebracht, wenn ihr nicht gekommen wärt.«
    »Dann solltest du dich freuen, dass es so war«, erwiderte Louise eine Spur schärfer, aber immer noch lächelnd, »und keine überflüssigen Fragen stellen oder dir den Kopf über Dinge zerbrechen, von denen du nichts verstehst.«
    Sie verstand vor allem nicht, warum Louise so gereizt reagierte, aber sie war auch nicht in der Stimmung, so einfach aufzugeben. »Was du gestern über Tom gesagt hast, das gilt auch für Stepan«, sagte sie. »Er wird nie aufhören, uns zu suchen.«
    »Und jetzt soll ich dir schwören, dass ich ihn niemals wiedersehen werde?«, fragte Louise spöttisch. »Kein Problem.«
    »Ich meine es ernst«, sagte Lena.
    Jetzt reagierte Louise in so scharfem Ton, dass Lena instinktiv
einen halben Schritt vor ihr zurückprallte. »Halt dich einfach raus, ja? Und hör auf, über Dinge zu reden, von denen du absolut keine Ahnung hast!« Louises Augen funkelten. »Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich muss noch ein paar Dinge mit der Heimleitung besprechen.«
    Sie stürmte in den Lift und schlug mit der Faust auf die Schalttafel. Ihr Blick sprühte vor Zorn, und er ließ Lena nicht los, bis sich die Aufzugtür schloss.
    »Du solltest ihr wirklich nicht solche Fragen stellen«, sagte Charlotte hinter ihr.
    »Ach nein, sollte ich nicht?«, fauchte Lena, während sie zu ihr herumfuhr. Ihr war sehr wohl klar, wie ungerecht es war, ihren Zorn nun an Charlotte auszulassen, aber in diesem Moment tat es einfach gut. »Soll ich weiter brav die Klappe halten und das Nesthäkchen spielen, das verhätschelt und vor der großen bösen Welt in Schutz genommen werden muss?«
    »Warum nicht?«, sagte Charlotte. »Immerhin bist du es ja.«
    »Meinetwegen«, schnappte Lena. »Aber behandelt mich nicht, als wäre ich völlig blöd. Also - was ist das zwischen Stepan und Louise?«
    »Wie kommst du darauf, dass da irgendetwas sein könnte?«, fragte Charlotte. Dann schüttelte sie kurz den Kopf und sagte: »Du hast recht. Da … ist etwas zwischen Stepan und ihr. Oder war es wenigstens einmal. Es ist lange her, aber die beiden …«
    »Waren einmal ein Paar«, sagte Lena. Louise - und Stepan? Das kam ihr gleichermaßen grotesk wie sonderbar stimmig vor; wie das letzte Puzzleteilchen in einem Bild, das sich bisher beharrlich geweigert hatte, den Sinn zu ergeben, den sie die ganze Zeit dahinter spürte. »Aber ich dachte, sie hasst Männer.«
    »Vielleicht ist Stepan ja der Grund dafür«, erwiderte Charlotte. »Er war Louises letzter Geliebter … aber nicht nur das.«
    Es dauerte nur einen Moment, bis Lena verstand. »Sie hat ihn … zu dem gemacht, was er ist«, sagte sie.

    »Und danach hat sie sich geschworen, nie wieder einen Mann zu einem von uns zu machen. Frag mich nicht, was passiert ist. Es war lange vor meiner Zeit, und sie spricht nie darüber.« Ein Schatten huschte über Charlottes Gesicht und verschwand wieder, bevor Lena seine Bedeutung ergründen konnte. »Vielleicht gibt sie sich die Schuld an dem, was aus ihm geworden ist. Sie kann ihn nicht töten, so einfach ist das. Und selbst wenn sie es könnte, dann dürfte sie es nicht.«
    »Warum?«
    »Weil es gegen die Regeln verstößt«, antwortete Charlotte ernst.
    »Regeln, die ihr selbst aufgestellt habt, vermute ich?«
    »Und das mit gutem Grund.« Charlotte nickte. »Es ist der einzige Weg, am Leben zu bleiben. Wir töten einander nicht, und wir führen schon gar keinen Krieg gegeneinander.«
    »Ach nein?«, höhnte Lena. »Was war das gestern Abend?«
    »Genau das, was keinesfalls hätte passieren dürfen«, sagte Charlotte. »Schon vergessen, was im Hotel geschehen ist oder im Club? Was glaubst du wohl, wie lange es dauern würde, bis die Menschen anfangen, an unsere Existenz zu glauben, wenn wir wirklich Krieg gegeneinander führen? Der einzige Grund, weshalb wir all die Jahrhunderte überlebt haben, ist der, dass niemand von unserer Existenz weiß. Und das muss so bleiben, ganz egal, was geschieht. Wenn die Menschen wissen, dass es uns gibt, dann sind wir alle tot.«
    Wahrscheinlich hatte sie damit sogar recht, dachte Lena - aber das änderte nichts an ihrem Groll. Wieso hatte Louise ihr von alledem nie etwas erzählt?
    »Du …«, begann sie zornig.
    Charlotte unterbrach sie schon nach

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