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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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mit ihr geschah, und sie wusste immer weniger, ob sie es auch wollte.
    »He!« Nora setzte ihre Einkaufstüten erneut ab, kam mit zwei schnellen Schritten auf sie zu und stemmte mit einem breiten Grinsen die Fäuste in die Hüften. »Jetzt tu wenigstens mal so, als ob du dich freust! Milliarden Weiber auf der Welt würden dafür töten!«
    Das mochte sein, dachte Lena. Die Frage war, ob sie dafür töten würde.
    Nora wartete einen Moment vergebens auf irgendeine Reaktion und bewegte sich dabei sacht weiter im Rhythmus der Musik, die immer noch von der Decke zu ihnen herabwehte. Schließlich nahm sie die Hände von den Hüften, um ihr mit Daumen und Zeigefinger die Mundwinkel nach oben zu ziehen.
    »Habt ihr das gesehen?«, fragte sie dann.
    Louise nickte. »Es kann lächeln.«

13
    Aus dem teuersten Hotel der Stadt war es über das vermutlich teuerste Kaufhaus des Landes praktisch nahtlos in eines der edelsten Restaurants der Stadt gegangen.
    Lena fühlte sich hier nicht wohl.
    Anders als in der Hotelsuite, die sie mehr wie in einem Fiebertraum erlebt hatte, und dem Kaufhaus, das sie mit seiner Pracht und verschwenderischen Fülle einfach erschlagen hatte, war dies schlichtweg eine Umgebung, die sie nicht mochte, und Ausdruck einer Lebensart, die sie zutiefst verabscheute. Alles hier war edel, teuer, dezent und leise und auf eine Art dekadent, die beinahe körperliche Übelkeit in ihr auslöste. Wenn Louise und die anderen geplant hatten, ihr einen Querschnitt durch das Leben zu zeigen, das sie in der Familie erwartete, so war dies eine Facette, auf die sie gern verzichten konnte.
    Lena sah jetzt seit geschlagenen zehn Minuten mit einer Mischung aus Staunen und leisem Widerwillen den jungen Kellnern zu, die Schüsseln, Platten, Teller und Terrinen in einer schier endlosen Folge zu einem Festmahl auf dem runden Tisch vor ihnen arrangierten, das nach ihrem Dafürhalten auch für zwanzig Gäste gereicht hätte, nicht nur für vier - die noch dazu gar nichts essen mussten.
    Und zumindest was sie anging, auch nicht wollten. Jedenfalls nicht … das . Lena hatte kein Problem damit, zuzugeben, dass sie einen Großteil der aufgefahrenen Köstlichkeiten nicht
kannte, aber sie war sich auch ziemlich sicher, dass sie nicht schmecken konnten. Nichts, was so sündhaft teuer war, konnte wirklich schmecken.
    »Richtig begeistert siehst du nicht aus«, sagte Nora. »Steht dir der Sinn eher nach einem fettigen Burger? Die Kellner können dir sicherlich einen besorgen, wenn du das möchtest.«
    Lena war kurzfristig in Versuchung, dieses Angebot einfach anzunehmen; und sei es nur aus Trotz. Aber dann begegnete ihr Blick dem eines der beiden Kellner - des jüngeren, allerhöchstens fünfundzwanzig und wirklich süß -, und sie schüttelte hastig den Kopf. »Schon gut«, sagte sie. »Ich bin eigentlich nur nicht hungrig.«
    »Und ich bin auch eigentlich gar nicht läufig«, witzelte Nora, »aber trotzdem kommen mir gerade ein paar ganz und gar unkeusche Gedanken.«
    »Die Bedienung steht nicht auf der Karte, Nora-Schatz«, sagte Louise lächelnd.
    Der junge Kellner bekam rote Ohren und hatte es plötzlich sehr eilig, seinem älteren Kollegen zu folgen.
    Nora sah ihm mit gespielter Enttäuschung nach. »Da geht der Nachtisch«, seufzte sie.
    »Ihr Mädchen seid unmöglich«, sagte Louise. »Bitte reiß dich zusammen, Nora. Es gibt nicht mehr allzu viele Restaurants in der Stadt, in denen wir uns noch blicken lassen können. Und ich habe keine große Lust, demnächst Stammgast in Lenas Lieblingsrestaurant zu werden.«
    »Was spricht gegen McDonald’s?«, sagte Nora. »Die haben dort bestimmt auch ganz appetitliches Personal.«
    Louise wiegte den Kopf. »Habe ich dir schon gesagt, dass du manchmal unmöglich bist, Nora?«
    »Nur manchmal?«, fragte Nora erschrocken. »Oh, das tut mir leid, wirklich. Ich gebe mir Mühe! Versprochen!«
    »Ja, in Zukunft benimmst du dich immer unmöglich, da bin
ich mir ganz sicher«, sagte Charlotte. »Lass gut sein, Nora.« Sie nippte an ihrem Champagner und wandte sich dann an Lena. »Es ist alles da, was das Herz begehrt: Kaviar, Hummer, Austern, Langusten … Hast du so was überhaupt schon einmal gegessen?«
    »Nein«, antwortete Lena, nickte dann aber. »Meine Mutter hat irgendwann mal eine Dose Schildkrötensuppe besorgt, weil sie der Meinung war, wir hätten uns auch mal was Gutes verdient.«
    »Ist das Zeug nicht seit mindestens zehn Jahren verboten?«, sagte Nora.
    »Und habt ihr mir nicht

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