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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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wirklich perfekt geformten Brüste und blieb dann an ihrer Halsschlagader hängen. Sie war deutlich sichtbar; ein Quell unbeschreiblicher Lust und dringend benötigter Nahrung, dessen Lockruf sie sich nicht entziehen konnte.
    »So, und das reicht jetzt!«, sagte eine scharfe Stimme hinter ihr.
    Die junge Frau fuhr erschrocken zusammen und hatte es dann plötzlich sehr eilig, in der Menge zu verschwinden.

    »Was soll denn dieser Unsinn, verdammt?« Louise trat mit einem energischen Schritt neben sie. Sie hielt eine brennende Zigarette in der rechten und ein Champagnerglas in der linken Hand, sah aber nicht aus, als wäre sie in Feierlaune, sondern wirkte ziemlich wütend.
    »He!«, protestierte Nora. »Bist du verrückt? Weißt du, wie lange ich gesucht habe, um genau so etwas zu finden?«
    »Ich weiß, dass meine Geduld bald zu Ende ist, Nora«, antwortete Louise eisig. »Treib es nicht zu weit!«
    »Wenn ich mich richtig erinnere, dann habe ich es schon ziemlich lange nicht mehr getrieben. Jedenfalls nicht mit …«
    »Treib es nicht zu weit«, sagte Louise noch einmal, und jetzt war die Drohung in ihrer Stimme ebenso wenig zu überhören wie das Funkeln in ihrem Blick zu übersehen.
    Nora hielt ihrem Blick zwar erst trotzig stand, zog dann aber eine beleidigte Schnute und arbeitete sich geschickt in die erste Reihe zu den Strippern vor. Louise sah ihr stirnrunzelnd zu, wie sie einem der drei zuerst einen zusammengefalteten Hunderter in den knappen Slip schob, den kleinen Finger dahinter verhakte und den Mann schließlich unter dem Gejohle der anderen hinter sich herzog, um mit ihm auf der Toilette zu verschwinden.
    »Entschuldige«, sagte Louise zu Lena. »Nora kann manchmal eine richtige Nervensäge sein.«
    Sie seufzte tief, nahm einen Zug an ihrer Zigarette und verscheuchte den ärgerlichen Ausdruck von ihrem Gesicht. »Was tust du hier?«, fragte sie dann.
    »Hier?«, wiederholte Lena verständnislos. »Auf meiner eigenen Willkommensparty?«
    »Auf deiner …?« Louise blinzelte. »Hat etwa Nora dir das erzählt?«
    »Ja.«
    »Du solltest gar nicht hier sein«, sagte Louise, nun vollends
verärgert. Lena hätte nicht sagen können, wem der Großteil dieses Ärgers galt.
    »Damit ich das hier nicht sehe?«, fragte sie schärfer als beabsichtigt.
    »Stimmt«, erwiderte Louise unbeeindruckt. »Jedenfalls noch nicht. Und vielleicht überhaupt nie, und auf jeden Fall nicht so.«
    »Dann sollte ich vielleicht lieber wieder gehen.«
    »Wenn du schon mal hier bist …« Louise deutete mit einer Kopfbewegung zur Bar, auf der sich jetzt nur noch zwei männliche Stripper rekelten.
    »Komm mit.«
    Die Bar war so ungefähr der letzte Ort auf der Welt, zu dem sich Lena in diesem Moment hingezogen fühlte - zumal sich mittlerweile auch Toms Doppelgängerin dort eingefunden hatte. Aber natürlich ließ ihr Louise gar nicht die Wahl und zog sie mit sanfter Gewalt mit sich.
    Wenigstens bugsierte sie Lena ans andere Ende der Bar, wo sie sie mit einer rüden Bewegung auf einen der Hocker schubste, ehe sie mit schnellen Schritten hinter die Bar ging. Irgendwie entledigte sie sich auf dem Weg dorthin sowohl der Zigarette und des Champagnerglases als auch des ärgerlichen Ausdrucks auf ihren Zügen. Jetzt sah sie wieder einfach nur freundlich aus. Vielleicht ein ganz kleines bisschen besorgt.
    »Du siehst irgendwie angespannt aus«, sagte sie. »Das hier gefällt dir nicht, habe ich recht?«
    »Das ist … nicht so ganz meine Welt«, antwortete Lena möglichst diplomatisch.
    »Und eigentlich möchtest du auch gar nicht, dass sie es wird.« Louise kramte einen Moment lang unter der Bar herum, ohne hinzusehen, und stellte dann zwei kleine, mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllte Gläser auf die von unten beleuchtete Milchglasscheibe. Sie waren so kalt, dass ihre Finger daran
kleben blieben. Glitzernder Dunst stieg von ihnen auf, wie Nebel, in den jemand Diamantsplitter gestreut hatte.
    »Trink«, sagte sie, und als Lena fast ohne eigenes Zutun danach greifen wollte, streckte sie blitzschnell den Arm aus und hielt sie am Handgelenk fest. »Wenn du es wirklich willst.«
    »Dasselbe hat Nora auch zu mir gesagt.« Lena versuchte sich loszureißen, aber der übermenschlichen Kraft, die Louises schmalen Händen innewohnte, hatte sie nichts entgegenzusetzen. Schließlich gab Louise ihre Hand frei.
    »Ja, und deshalb hat sie dich wahrscheinlich auch hierher gebracht«, sagte sie. »Sie ist ein Kindskopf, und das wird sie wahrscheinlich

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