Wir sind die Nacht
die Wärme, die es in ihr weckte.
»Danke«, sagte sie, indem sie Louise das Glas zurückgab. »Wie geht es Nora?«
Louise stellte das Glas auf den Tisch und sah zur Tür des Schlafzimmers der großen Luxussuite, hinter der Nora und Charlotte verschwunden waren. »Sie wird es schaffen. Keine Angst. Charlotte kümmert sich um sie. So leicht sind wir nicht umzubringen.«
Das klang nicht so, als ob sie sich darüber freuen würde, dachte Lena. »Immerhin hat sie mir das Leben gerettet«, sagte sie.
»Das Leben gerettet?«, schnaubte Louise. Lena konnte sich nicht erinnern, sie jemals so verärgert gesehen zu haben. »Ja, so könnte man es nennen! Es hätte aber auch andere Möglichkeiten gegeben. Es wäre nicht nötig gewesen, hier die Lara Croft für Arme zu geben!«
»Andere Möglichkeiten?«
»Glaubst du, es wäre das erste Mal, dass eine von uns irgendwo bei Tageslicht strandet?« Louise schüttelte heftig den Kopf. »Es gibt immer einen Ausweg. Ein Versteck, in dem man in Ruhe abwarten kann, irgendeinen Winkel, um sich zu verkriechen, ein Loch … was weiß ich! Wir sind gut in so was, verdammt gut! Wären wir es nicht, dann gäbe es uns schon lange nicht mehr!«
Sie deutete mit einer zornigen Kopfbewegung zu den geschlossenen Vorhängen hin. »Weißt du, was da draußen los ist? Die halbe Stadt spricht von nichts anderem als einem schwarzen Porsche, in dem zwei lichterloh brennende Frauen quer durch die Stadt gerast sind!«
»Aber das … das wird doch niemand glauben, oder?«, sagte Lena nervös.
»Natürlich nicht!«, schnaubte Louise. »Aber es gibt trotzdem
Gerede, und die Boulevardpresse brauche ich morgen gar nicht erst zu kaufen, um die Schlagzeilen zu kennen! Weißt du, warum wir all die Zeit über so unbehelligt leben konnten? Nicht weil wir so reich sind oder um so vieles cleverer als alle anderen, sondern weil wir unauffällig geblieben sind! Natürlich wird niemand diese Geschichte glauben, wahrscheinlich nicht einmal mehr die, die euch gesehen haben, aber wir können uns so ein Aufsehen einfach nicht leisten! Diese verdammten Zeitungen müssen nur lange genug Unsinn schreiben, und irgendein verrückter Verschwörungstheoretiker wird herumschnüffeln, bis er irgendwas findet!«
»Und?« Charlotte zog die Verbindungstür hinter sich zu. »Dann verabredest du dich mit ihm in einer dunklen Gasse und zeigst ihm, dass seine Verschwörungstheorie gar keine Theorie ist, und schon hat sich das Thema erledigt. Sei nicht so laut, Louise. Man hört dich bis in die Lobby. Nora braucht ein bisschen Ruhe.«
»Sie ist doch nicht …«, begann Lena, aber Charlotte unterbrach sie mit einem Kopfschütteln.
»Gib ihr eine Stunde, und sie ist wieder so frisch und unausstehlich wie immer«, sagte sie. »Schlaf ist immer noch die beste Medizin … Na ja, und das hier natürlich.« Sie hob den linken Arm, so dass Lena die beiden winzigen roten Einstiche an ihrem Handgelenk erkennen konnte. Sie verschwanden, noch während sie hinsah.
»Das hättest du nicht tun sollen«, sagte Louise. »Ein kleiner Dämpfer tut ihr vielleicht ganz gut. Ich finde, so ganz allmählich könnte sie einmal erwachsen werden.«
»Gib ihr noch hundert Jahre … oder ein paar mehr.« Charlotte schlenderte zum Bücherregal, nahm scheinbar wahllos einen Band heraus und zündete sich eine Zigarette an, während sie zum Kamin ging, wo sie sich in einem der gemütlichen Sessel niederließ. »Ich könnte jetzt sagen, dass ich dich
gewarnt habe, aber das wäre kleinlich, und deshalb sage ich es nicht.«
Lena sah verwirrt von Charlotte zu Louise. Die Blicke der beiden sprachen Bände, nur leider in einer Sprache, die sie nicht verstand.
»Was genau soll das heißen?«, fragte sie.
»Nichts«, antwortete Louise. »Familienangelegenheit.«
Die sie nichts anging. Lena verstand, was aber noch lange nicht bedeutete, dass sie es auch gut finden musste.
Charlotte wechselte das Thema, ohne von ihrem Buch aufzusehen. »Nora hat erzählt, dass du Besuch von deinem Lieblingspolizisten gehabt hast. Von diesem Tom.«
»Ja. Er und sein Kollege waren da.«
»Was wollte er von dir?«
Lena sah sie noch einen Moment lang trotzig an, aber dann erzählte sie vom Morgen und davon, wie Nora sie schließlich im Keller gefunden hatte. Sie rechnete damit, von Louise unterbrochen zu werden, aber die ließ sie zu Ende reden und sah danach eher nachdenklich aus.
»Also hast du Iwans Brieftasche doch mitgenommen«, sagte Louise schließlich.
Leugnen hatte wohl
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