Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
los zu sein. Und auch eine Trennung ist ja wohl noch lange kein Grund, einer armen Alleinerziehenden ihren ultimativen Supermann nicht zu gönnen, oder?
Sabine und Anja waren einfach das falsche Publikum. Sie musste sich besser an die Noch-Paare im Bekanntenkreis halten, um mit ihrer perfekten Neueroberung zu prahlen. Und ja, es machte großen Spaß, beim Abendessen unter Freunden endlich mal nicht alleine am Kopfende des Tisches sitzen zu müssen. Sondern großspurig den Arm um die Taille des gut aussehenden Mannes zu legen, der da neben einem saß, und dreimal pro Minute »wir« zu sagen: »Wir fanden den Film ganz toll … Wir nehmen gerne noch ein bisschen Nachtisch … Wir gehen jetzt aber doch bald mal nach Hause, stimmt’s, Schatz?«
Der perfekte Muskelmann lächelte und nickte und schwieg. Mal wieder. Irgendwann würde sie sicher anfangen, ihm das als Indifferenz, Gefühlskälte und kommunikative Verweigerung vorzuwerfen. Noch aber fand sie es tiefgründig und passend. War doch ob des harmonischen Gleichklangs ihrer liebenden Seelen jedes überflüssige Wort unnötig.
Und wie sie eines Abends mal wieder schweigend auf der Couch saßen, sie blätterte noch durch eine Frauenzeitschrift, er war beim Fernsehgucken eingenickt, guckte die allein erziehende Frau, die eigentlich schon längst keine mehr war, weil er faktisch bei ihr wohnte, zu ihrem schlafenden Helden rüber, der ihr nun schon seit einem Jahr im Lotterbett und am Küchentisch nur die erlesensten Köstlichkeiten servierte – kein Wunder übrigens, dass er abends immer so früh müde war –, und beschloss vier Dinge. Erstens: Es wird Zeit, sich eine gemeinsame Wohnung zu suchen. Zweitens: In dieser gemeinsamen Wohnung wird es ein gemeinsames Bücher- und ein gemeinsames CD-Regal geben. Drittens: Den Teppich zwischen dem gemeinsamen Bücher- und dem gemeinsamen CD-Regal wird nicht sie, sondern Olga, die polnische Putzfrau, saugen. Die geschiedene Olga mit den drei kleinen Kindern und dem Doktor in Philosophie. Die war wirklich ein Goldstück und ihre 7,50 € die Stunde absolut wert. Viertens: Auf dem von Olga gepflegten Wohnzimmerteppich ihrer gemeinsamen Wohnung zwischen gemeinsamem CD- und gemeinsamem Bücherregal werden die allein erziehende Frau und der neue Mann in Kürze ein gemeinsames Kind zeugen.
Noch schlief der neue Mann an ihrem Fußende und ahnte nichts von dem, was da auf ihn zukam. Sie schmiegte sich an ihn und ließ ihn weiterschlafen. Er würde seine Kraft noch brauchen.
Fluch der Karibik
D as ist also jetzt das Happy End.
Das finale Einlaufen in den Hafen einer Patchwork-Familie hätte sie sich glanzvoller und überwältigender nicht vorgestellt. Und so reich ist es, dieses neue Leben. Reich an Krach und Aufregung. An Geld leider weniger, denn um genau zu sein, lebt auch ein Mann mit Ex- und Neu-Familie meist vom Selbstbehalt in den Mund. An Kreuzfahrten in die Karibik ist nicht zu denken. Geschweige denn an eine private Rentenversicherung oder ein Zeitungsabo.
Um die Kreuzfahrten ist es ein bisschen schade. All die farbenprächtigen Obstteller, die einsamen Sandstrände und die abendlichen Musical-Aufführungen der Animateure, die ihnen da entgehen. Und dann das Captain’s Dinner. Die Abschlussgala. Das Mondschein-Konzert. Na ja, sei’s drum. Immerhin stellt das mit der Altersvorsorge jetzt überhaupt kein Problem mehr dar. Sie ziehen ja einen Haufen liebender Kinder groß, die sie später, wenn sie senil und starrsinnig geworden sind, gerne pflegen und mit durchfüttern werden. Und ganz sicher lassen die Jungen für die Alten dann auch mal eine Schifffahrt über den Bodensee springen.
Bis es so weit ist, bleibt der Lebensstil des Patchwork-Paares allerdings die stilvolle Verarmung und der bevorzugte Urlaubsort eine kleine Ferienwohnung in Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Vorbereitung dieses jährlichen Höhepunkts familiären Beisammenseins darf die Patchwork-Mama nun auch endlich alle ihre brachliegenden Managementtalente ausleben. Immerhin wollen ungefähr 88 Unterhosen, 72 Windeln, 63 T-Shirts, 44 Paar Socken, 25 Hosen, 16 Paar Schuhe, 12 Handtücher, 9 Röcke, 5 Schnuller, 4 Zahnbürsten aufgelistet, zusammengesucht, abgehakt und in einer der 15 Taschen verstaut werden. Nicht zu vergessen eine auf alle Eventualitäten vorbereitete Reiseapotheke samt der nötigen 7 Sorten Sonnencreme – für sensible Haut, für unsensible Haut, für Babys, für Kleinkinder, für Jugendliche, für Erwachsene und After-Sun für
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