Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
hinterher natürlich.
Derart ausgelastet, denkt sie beim Bügeln der Sonnenhüte nur kurz an die triste Zeit zurück, als die Familie noch aus 1 Mutter und 1 Kind bestand und Urlaube komplett aus 1 Koffer bestritten wurden. Ja, das war schwer und hart, die Ferien zu zweit verbringen zu müssen. Vor allem, als das Kind dann zu einer wassersportbegeisterten und kontaktfreudigen Zehnjährigen herangewachsen war, die nie vor 11 Uhr abends müde wurde und nie vor 9 Uhr morgens aufstand. Der Urlaub damals auf Kuba, wo Mutter und Tochter die Erbschaft von Tante Ilse in einer Vier-Sterne-Clubanlage mit Blick aufs Meer und großzügigem Personalschlüssel auf den Kopf gehauen hatten. Das Kind schon halb groß und ständig mit Gleichaltrigen von der Bildfläche verschwunden. Mama dauergeparkt auf ihrer Sonnenliege und ab frühem Nachmittag dem alkoholischen Angebot der All-inclusive-Anlage zusprechend. Und dann dieser süße Barkeeper, Mann, war der nett gewesen. Immer am Winken und Zwinkern. Mit Händen und Füßen hatte sie sich verständigt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und mit der Tochter hatte sie auch immer was zu Tuscheln und Kichern gehabt. Es war fast, als wäre sie wieder 17 und mit ihrer besten Freundin zum ersten Mal mit einer gemischten Jugendgruppe in Rimini. Nur dass sie jetzt keine störenden Pickel mehr auf dem Rücken hatte.
Abgesehen vom Flirten an der Hausbar hatte sie sich dann auch noch eine Lederjacke gekauft, einen Tauchkurs belegt und 6 Bücher à 400 Seiten gelesen.
Lesen, Ausruhen, Tauchen, Barkeeperanbaggern. Das sind alles so langweilige Dinge aus ihrem bemitleidenswerten früheren Leben. Gut, dass diese einsamen Zeiten jetzt ein für alle Mal vorbei sind, denkt sie und reibt sich das vom Dauerbügeln dauersehnenscheidenentzündete Handgelenk. Hier und jetzt warten konkretere Herausforderungen. Zum Beispiel, die zig Koffer, Rucksäcke, Windelpakete und anderweitigen Behältnisse, die im Flur bereitstehen, ins Auto zu schaffen. Um sie dann in 7 Stunden wieder aus dem Auto auszuladen, in 20 Tagen erneut einzupacken und in 20 Tagen und 7 Stunden wieder auszupacken, zu waschen und zurück in die Schränke zu sortieren. Mama hat sich übrigens neuerdings das Tragen von ärmellosen Hauskitteln angewöhnt. Da kann der angesichts dieser Aufgaben leicht aufkommende Achselschweiß besser verdunsten. Ohne unschöne Flecken zu hinterlassen. Superpraktisch.
Der Mann bringt unterdessen das ihm angereichte Gepäck platzsparend im Auto unter. Dann holt er noch schnell das Kind ab, das er vor 7 Jahren mit einer anderen Frau bekommen hat, und lädt es samt dessen geschmackvoller Barbietasche, den geschmackvollen Barbieturnschuhen und der geschmackvollen Barbiejacke ebenfalls in den Kombi, auf dessen Rückbank kurze Zeit später auch das 13-jährige Kind eines anderen Mannes und das Kind, das er vor knapp zwei Jahren mit der Frau im Haushaltskittel gezeugt hat, Platz nehmen. Dann fährt er seine zweite Frau, sein erstes Kind, ihr erstes Kind und das gemeinsame Zweitkind so schnell er kann an den Urlaubsort und entleert den Kofferraum wieder. Damit sind seine Aufgaben in den nächsten Wochen weitgehend umrissen. Die Ein-Drittel-Stief-zwei-Drittel-leibliche-Mutti dagegen sitzt wie immer auf dem Beifahrersitz, zwischen den Beinen eine zehn Kilo schwere Fressalien- und Getränketasche, aus deren Untiefen sie im Zwei-Minuten-Takt Weintrauben, Kekse und Gummibärchen zutage fördert.
Wie kommt es eigentlich, fragt sie sich unterdessen, dass Männer im Auto immer automatisch die Piloten sind. Würdevoll die Gäste begrüßen, Angaben zu Wetter, Reiseroute und voraussichtlicher Ankunftszeit machen und ansonsten wegen ihrer wichtigen Gas gebenden Tätigkeit weitgehend vom Lärm auf den hinteren Plätzen abgeschirmt werden. Von den Frauen natürlich, die als Stewardessen ans Anschnallen erinnern, Tomatensaft und warme Waschlappen austeilen, die Tonträger wechseln und sich das Gezeter der ungeduldigen Passagiere anhören. Es nützt übrigens nichts, einen simplen Rollentausch anzustreben – sie Fahrer, er Beifahrerin –, denn dann ist die Frau zwar Pilotin, aber zugleich immer noch die Stewardess. Und der Mann neben ihr so was wie eine ungelernte Hilfskraft mit wenig mitdenkerischen Fähigkeiten. Und einem Hang zum ziellosen Herumkramen: »Hast du für die Kinder was zu trinken eingepackt?«
»Ja. Natürlich. Wasser. Tee. Apfelschorle. Oben in der Tüte.«
»Find ich nicht.«
»Ganz obendrauf, da, in der blauen
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