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Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)

Titel: Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Herbold
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gebracht hat, während sie unter der Dusche war. Es kommt noch besser: Offenbar hat in den vergangenen fünf Minuten sogar niemand niemanden tödlich beleidigt oder persönlich gekränkt und niemand hat niemandem den Platz oder die Wurst streitig gemacht.
    Es ging wahrhaftig aufwärts. Die Tochter saß von nun an auch auf Möbelstücken, die der neue Mann bereits berührt hatte. Und gelegentlich produzierte sie sogar Kunst, die nicht automatisch für Mama bestimmt war. »Hier, den Kerzenständer hab ich für euch beide gebastelt.«
    Noch ein paar Wochen später schrieb die Friedenswächterin in ihr Blauhelm-Tagebuch, es gäbe erstmals Anzeichen dafür, dass die verfeindeten Parteien offenbar ganz gut alleine zurechtkämen, ja fast so was wie Spaß miteinander hätten. Vor allem seit die Pferdenärrin herausgefunden habe, dass man auf den Schultern des Mannes prima durch die Wohnung reiten kann. Jedenfalls habe die ehemalige Kindersoldatin neulich höchstselbst vorgeschlagen, mit dem neuen Mann zu Hause zu bleiben, während Mama noch mal schnell einkaufen gehen sollte. Woraufhin der neue Mann gleich andeutete, man könne ja schon mal anfangen zu kochen, bis Mama wiederkäme. Was von Seiten der Kindersoldatin mit einem begeisterten »Und ich helf’ dir« quittiert wurde. Die Mama nahm ihren Der-Umwelt-zuliebe-Stoffbeutel und schüttelte noch auf der Straße minutenlang ungläubig den Kopf. Sollte ihre Friedenssaat wirklich schon Früchte tragen?
    Sie trug. Und herrlich war die Ernte, die sie nach dem Einkaufen zu Hause in Form eines gut gelaunten Mannes, einer fröhlichen Tochter und eines zerkochten Nudelauflaufs erwartete. Stolz reckt die allein erziehende Frau den Kopf in die Höhe. Das hier ist allein ihr Verdienst. Ihr ganz privater Triumph. Die ehemaligen Grabenkämpfer sahen das Jahre später natürlich anders – »Wir haben uns doch von Anfang an total gut verstanden« –, aber das war ein eindeutiger Fall von nachträglicher Geschichtsbeschönigung. Nicht, dass sie Lob und Lorbeeren will, aber es bleibt doch festzuhalten, dass sie alleine es gewesen ist, die sich zäh und hartnäckig um die heimische Völkerverständigung bemüht hatte. Friedensnobelpreiswürdig ist ihr Einsatz gewesen. Jetzt wird sie belohnt. Es ist ihr Sieg. Und die Macht der Gewohnheit war mit ihr.
    Nach der Entschärfung der heimischen Fronten macht sogar der Sex wieder Spaß. Zwar geht es auch weiterhin nicht ohne gewisse Vorsorgemaßnahmen, das heißt Kinderzimmer- und Schlafzimmertür müssen vorher zu- und hinterher wieder einen Spalt aufgemacht werden. Falls mal was ist und man das Kind sonst nicht rufen hört. Aus diesem und anderen Gründen wird weiterhin am Vorspiel gespart und nicht selten endet der Haupt-Act etwas abrupt mit einem »Sei mal kurz still, ich glaub, Greta ist wach«. Aber die drei Minuten dazwischen sind die reinste Wonne.
    Beflügelt von hektischem Sex und der gnädigen Akzeptanz, derer sich der neue Mann im Haushalt der allein erziehenden Frau und ihrer Mitbewohnerin mittlerweile erfreut, fühlt sich das neue Paar imstande, auch einem anderen kritischen Krisenherd gegenüberzutreten. Um genau zu sein, sind es eigentlich zwei. Sie heißen Anton und Paul und leben bei ihrer Mutter in Karlsruhe. Die allein erziehende Frau schrecken Anton und Paul theoretisch nicht. Schließlich weiß sie aus einschlägiger Broschüren-Lektüre, dass man, wenn man überhaupt das seltene Glück hat, jenseits der 35 einen Lebensabschnittsgefährten zu ergattern, sich fast hundertprozentig sicher sein kann, dass er sich – wie man selbst ja auch – in den letzten Jahrzehnten bereits mehrfach gepaart und vermehrt hat. Im Gegenteil, wenn dem nicht so ist, hat man allen Grund, sich ernstlich Sorgen über seine Zeugungs-, respektive Bindungsfähigkeit zu machen.
    Mit ihrem neuen Mann war also alles so weit in Ordnung. Zwei Kinder, eine Ex-Frau. Wunderbar. Hätten ja auch fünf Kinder und drei Ex-Frauen sein können. Gleich am ersten Abend ihres Kennenlernens hatte sie darüber hinaus alle weiteren relevanten Informationen abgecheckt: Hat er ein paar Jahre mit den Kindern gelebt? Koliken und Trotzphasen überlebt? Weiß er, dass irreversible Aversionen gegen Gemüse in den besten Familien vorkommen? Hat er sogar nach der Geburt angeboten, ein paar Wochen freizunehmen? Super. Vorbildlich. Kann er sich heute noch was drauf einbilden. Nein, nein, das sei jetzt wirklich keine Ironie in ihrer Stimme. Und seine Trennung von der Kindsmutter ist

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