Wir sind verbannt (German Edition)
Schlafzimmer und trug dabei so einen Schutzkittel aus Plastik, wie ihn alle Mitarbeiter im Krankenhaus anhatten, um zu verhindern, dass sich das Virus weiterverbreitet, wenn er den Raum verlässt. Ich hatte also kaum Gelegenheit mit ihm zu sprechen, obwohl er zu Hause war.
Moms Zustand hat sich nicht weiter verschlechtert. Als Dad heute Morgen kurz ins Krankenhaus gefahren ist, setzte ich mich vor ihre Tür und erzählte ihr ein paar von Mackenzies besten Promi-Geschichten. Sie schien gar nicht mehr so viel zu husten wie vorher. Und über einige von den Storys hat sie sogar gelacht, so als ginge es ihr richtig gut. Das muss doch eigentlich ein gutes Zeichen sein, oder?
Nach einer Weile meinte sie, ihr sei heiß und es sei wohl besser, sich ein wenig hinzulegen. Bevor ich wegging sagte sie noch: »Ich hab dich lieb, Kaelyn. Vergiss das nicht, ja?«
Das hat sie schon so oft gesagt, aber jetzt klang es irgendwie anders. Und nachdem ich ihr geantwortet hatte, dass ich sie auch liebhätte, kam mir mein Hals vor wie zugeschnürt.
Den Rest des Tages hatte ich Meredith-Dienst. Die Frettchen sind schon ganz geschafft vom vielen Spielen. Und Drews Simpsons -DVDs haben wir auch schon halb durch. Ich fing damit an, ihr eine meiner Tierfilmserien zu zeigen, weil sie sich für die Kojoten interessierte, aber nach der ersten Folge entschied ich, dass das keine so gute Idee war. Mir war bisher noch gar nicht aufgefallen, wie deprimierend diese Sendungen sein können. Irgendwer oder irgendwas wird immer gejagt oder befindet sich im Kampf gegen die Naturgewalten. Es erinnerte mich zu sehr an die Situation, in der wir jetzt gerade leben.
Als wir uns heute Abend bettfertig machten, hörten wir ein schreckliches Kreischen von draußen. Diesmal waren es zum Glück wirklich mal Waschbären, von denen gerade zwei vor der Hecke des Nachbarhauses heftig aneinandergeraten waren.
»Warum sind sie denn so böse?«, wollte Meredith wissen.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Wahrscheinlich verteidigt der eine sein Revier. Manchmal hören sie sich auch so an, wenn sie, na ja, sich gerade eine neue Freundin suchen. Aber dafür ist jetzt eigentlich die falsche Jahreszeit.«
Wir sahen ihnen noch so lange zu, bis sie balgend hinter der Hecke verschwanden.
Seltsam, dass für die Waschbären anscheinend das Leben weitergeht wie immer.
17. Oktober
Logischerweise werden wir nun nicht Drews Geheimplan testen, um von der Insel wegzukommen, weil Mom krank ist. Die letzten paar Tage verbrachte er in seinem Zimmer oder war irgendwo draußen unterwegs. Er braucht sich jetzt kaum noch heimlich rauszuschleichen – Mom ist jedenfalls nicht mehr in der Lage mitzubekommen, dass er sich davonmacht, und Dads Aufmerksamkeit ist voll und ganz bei ihr. Keine Ahnung, was Drew vorhat. Vielleicht will er dafür sorgen, dass alles vorbereitet ist, für den Fall dass sie gesund wird und wir fortgehen können.
Er muss allerdings gemerkt haben, dass es nicht so einfach für mich ist, Meredith den ganzen Tag lang zu beschäftigen, denn heute Morgen bot er an, ihr das Computerspiel beizubringen, von dem er sonst immer behauptet hat, es sei zu kompliziert für sie.
Ich versuchte unterdessen einen meiner Hitchcock-Filme anzuschauen, doch kaum tauchte die erste Leiche auf, wurde mir ganz anders, und ich musste ihn ausschalten. Ich holte mein Mathebuch heraus, was mir sicherer erschien, und ging hinunter ins Esszimmer, um das nächste Kapitel in Angriff zu nehmen. Bis jetzt hab ich mich vor der Algebra gedrückt, aber ich weiß genau, dass ich die ganzen Formeln vergessen werde und sie alle wieder von vorn lernen muss, wenn ich nicht langsam mal übe. Selbst wenn das Leben hier auf der Insel niemals mehr seinen Normalzustand erreicht, muss ich schließlich davon ausgehen, dass ich irgendwo wieder zur Schule gehen werde. Etwas anderes zu glauben, wäre ja wie aufgeben.
Nachdem ich erst einmal drin war, hatte es etwas Beruhigendes, die Zahlen hin und her zu schieben und die Ergebnisse auszuknobeln. Ich konnte die klassische Musik aus Moms Radio durch die Zimmerdecke hören und alles zusammen bildete einen seltsamen Rhythmus.
Gerade hatte ich ein paar Seiten im Buch geschafft, als es an der Tür klingelte. Mein Kopf war so voller Zahlen, dass ich ganz automatisch aufstand und hinging. Ich hatte die Hand schon an der Klinke, als mir der Gedanke kam, dass ich nicht einfach so jedem aufmachen sollte.
Da unsere Haustür kein Fenster hat, beugte ich mich ganz dicht
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