Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
Vom Netzwerk:
Danke.«
    Die Fahrt zum Krankenhaus und wieder zurück verlief ohne Probleme; das war nicht der schlimmste Teil des Tages. Das Schlimmste waren die Adressen auf der Liste, die wir schon ausließen, und all die anderen, die ich durchstreichen musste, weil jetzt schon zum dritten Mal hintereinander niemand aufmachte. Schließlich waren es nur dreiundvierzig Häuser, in denen wir überhaupt noch jemanden antrafen. Warren betrachtete sorgenvoll das Blatt Papier, das ich ihm am Ende des Vormittags brachte und auf dem es vor Ausstreichungen nur so wimmelte.
    »Ich überarbeite die Liste bis zum nächsten Mal«, sagte er zu Gav.
    Gav nickte, als würde es ihm weiter nichts ausmachen, doch im nächsten Moment schnappte er sich eine Dose Bohnen aus dem Kofferraum und schleuderte sie mit aller Wucht auf die Straße. Es gab einen heftigen Knall, als sie auf dem Asphalt aufschlug.
    Wenigstens versuchen wir es, dachte ich. Aber ich sprach es nicht laut aus. Das war mit ziemlicher Sicherheit nicht das, was er hören wollte. Ich wünschte, ich hätte ihm etwas Positiveres sagen können.

17. November
    Sie sind in Onkel Emmetts Wohnviertel gewesen – diese Gang, von der Gav sagt, Quentin mache da jetzt mit. Heute Morgen bin ich zu Onkel Emmetts Haus gefahren, um mich ein letztes Mal umzusehen, da stand die Tür sperrangelweit offen. Das Schloss war aufgebrochen worden.
    Einen Moment lang überkam mich Panik, und ich wäre fast wieder zurück zum Auto gestürzt, da fiel mir ein, dass ich mich wahrscheinlich an einem der sichersten Orte der ganzen Stadt befand. Sie hatten ja schon alles genommen, was sie wollten. Wieso sollten sie noch einmal zurückkommen? Die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Haus ein zweites Mal plündern, ist ungefähr genauso groß wie die, dass ich mich noch einmal mit dem Virus infiziere.
    Es war auch nicht mehr viel übrig, das sich zu stehlen gelohnt hätte. Die Hausbar war leergeräumt, und es schien, als hätten sie die Schlafzimmer auf der Suche nach irgendwelchen Wertsachen durchwühlt. Aber Tante Lillian hat ihren Schmuckkasten garantiert mitgenommen, als sie fortging. In der Hinsicht sind sie also enttäuscht worden.
    Einen Augenblick lang hatte ich Angst, sie könnten sich das Fernglas unter den Nagel gerissen haben, das ich unbedingt finden wollte, aber dann brachte ich es aus dem Durcheinander neben Merediths Bett zum Vorschein.
    Die Küstenwache hatte ihre Boote immer noch in der Meerenge stationiert, und das Festland dahinter sah aus wie sonst auch. Ich konnte schimmernde Lichter und aufblitzende Bewegungen im Dunst erkennen.
    Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass das Leben dort drüben einfach seinen gewohnten Gang geht. Menschen, die zur Schule gehen, Lebensmittel einkaufen und Zeit mit ihren Freunden verbringen, ohne das Gesicht von einer Schutzmaske verdeckt zu haben. Als sei es ein anderer Stern in den unendlichen Weiten des Universums und nicht eine Stadt nur ein paar Kilometer Wasserweg entfernt.
    Das hört sich jetzt vielleicht schrecklich pessimistisch an, aber ehrlich gesagt, lieber so als anders. Denn die Alternative hieße, das Leben dort ginge nicht weiter wie immer, und das würde bedeuten, dass sie dort drüben genauso zugrunde gingen wie wir hier.
    Ich hab versucht, mir vorzustellen, was du jetzt wohl gerade machst, Leo. Manchmal sehe ich dich beim Tanzunterricht, wie du dich drehst und Sprünge machst, während deine Lehrer dir begeistert zuschauen. Das ist ein schöner Gedanke, aber ich weiß, dass es nicht so ist. Denn inzwischen musst du wissen, was los ist, und du würdest nie einfach so weitermachen, als wäre nichts. Womöglich bist du genau in diesem Moment dort drüben dabei, mit irgendeinem der Verantwortlichen zu verhandeln, damit sie dir erlauben, nach Hause zu kommen.
    Ich würde gern wissen, ob Drew bei dir ist. Kann ja sein, dass er es heil rübergeschafft hat und nur seine Taucherausrüstung dabei draufgegangen ist und dass er jetzt festsitzt, obwohl er vielleicht etwas gefunden hat, das uns helfen könnte. Aber eines Tages, wenn es wieder sicher auf der Insel ist, dann kommt ihr beide wieder zu uns zurück.
    Ich wünschte nur, dieser Tag käme mir nicht so unendlich weit weg vor.
    Beim Verlassen des Hauses nahm ich das Fernglas mit. Ich wollte nicht noch einmal zurückkommen müssen. Als ich den Fußweg vor dem Gebäude entlanglief, bemerkte ich eine Bewegung an der Straße und blieb stehen. Vier Häuser weiter lag eine Leiche halb auf dem Bürgersteig, halb

Weitere Kostenlose Bücher