Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben
Antworten auf diese Fragen findet, erfährt auch etwas darüber, wer er selbst ist.
◆ Soziale Zugehörigkeit: Stärker als andere Altersgruppen drücken Jugendliche ihre Bindung an eine bestimmte Gruppe durch ihre Sachen aus. Besonders jüngere Jugendliche, die noch kein sehr klares Bild von ihrer Identität haben, fühlen sich zu Objekten hingezogen, durch die sie in ein soziales Netz eingebunden werden. Einen Gegenstand zu besitzen, der zur Kultur einer Gruppe gehört, sei es ein bestimmtes Handy oder eine Designer-Jeans, vermittelt das Gefühl »Ich gehöre dazu« und verschafft soziale Anerkennung, die für das aufblühende Selbstbewusstsein so wichtig ist.
◆ Selbstdarstellung: Mit zunehmendem Alter wird es für junge Leute immer wichtiger, der eigenen Individualität Ausdruck zu verleihen. Da die eigene Identität noch im Aufbau begriffen ist, sind sie auf einen »externen« Spiegel angewiesen, der ihr Selbstbild reflektiert. Dafür sind materielle Objekte hervorragend geeignet. Mit Hilfe von ungewöhnlichem Schmuck, einem aufgemotzten fahrbaren Untersatz oder anderen Accessoires zeigen sie der Umwelt – und sich selbst –, was das Besondere an ihnen ist.
◆ Selbstreflexion: Kinder denken noch kaum über sich selbst nach. Erst in der Jugend erwacht die Fähigkeit, einen Schritt zurückzutreten und sich wie von außen zu betrachten. Man fragt sich: Was geht emotional in mir vor? Welche Stärken und Schwächen habe ich? Wo komme ich her, wo will ich hin? Solche Fragen erörtern junge Menschen mit Freunden, aber auch mit »dinglichen Gesprächspartnern«: mit dem Poster eines Popstars, mit Stofftieren und Glücksbringern, in einem Tagebuch und sogar mit einem Motorrad, wie Margas Beispiel zeigt.
◆ Regulierung von Gefühlen: Eigene Erfahrungen, Zukunftsträume und Erwartungen von anderen in eine konsistente Identität zu integrieren, ist eine verwirrende und zuweilen überwältigende Angelegenheit. Da können die Emotionen schon mal Achterbahn fahren. Viele Teens und Twens haben ein Hilfsmittel der Wahl: Musik. Früher standen Plattenspieler, Ghettoblaster und Walkman ganz oben auf der Liste ihrer Lieblingssachen, heute sind es iPod oder MP 3 -Player. Auch Musikinstrumente dienen jungen Leuten dazu, überschäumende Gefühle unter Kontrolle zu halten oder sich aus Stimmungstiefs herauszuholen. Der zwanzigjährige Heinrich beispielsweise, ein weiterer Teilnehmer aus der Habermas-Studie, betrachtet eine Gitarre als seinen wichtigsten Besitz. Sie spendet Trost und lässt ihn alles um ihn herum vergessen. Wenn er sich von der Welt wie abgeschnitten fühlt, sagt er, gelingt es ihm mit Hilfe der Gitarrenklänge, seine Gefühle auszudrücken.
Heute unverzichtbar: das Handy
Um einen Gegenstand kommt man nicht herum, wenn man über die Lieblingsdinge von Jugendlichen heute schreibt: das Handy. Aus dem Leben von Teenagern ist es praktisch nicht mehr wegzudenken. In Deutschland besitzen mittlerweile 95 Prozent aller Jugendlichen ein Gerät. Egal ob Mädchen oder Junge, ob Hauptschüler oder Gymnasiast, die Begeisterung für die mobile Telefonie verbindet Teenager über Sozial- und Geschlechtergrenzen hinweg. Darauf zu verzichten, fällt ihnen unglaublich schwer.
Im Mai 2011 machte eine 15 -jährige Amerikanerin aus dem Bundesstaat Washington Schlagzeilen. Weil der Vater ihr das Handy weggenommen hatte, schoss sie mit Pfeil und Bogen auf ihn und verletzte ihn schwer. Um Hilfe zu bekommen, musste der 35 -Jährige mit dem Auto einen halben Kilometer zum nächsten Nachbarn fahren, denn das wütende Mädchen erlaubte ihm nicht, das Telefon im Haus zu benutzen. Nach dem Hubschraubertransport in eine Klinik konnte ihm in einer Notoperation das Geschoss aus dem Rumpf entfernt werden. Das Mädchen fand die Polizei im Wald hinter dem Haus. Sie wurde festgenommen und wegen schwerer Körperverletzung angeklagt.
Die wenigsten Teenager würden wohl zu solch drastischen Maßnahmen greifen, aber Mordfantasien wegen Handyentzug hatten wahrscheinlich schon viele. Vor ein paar Jahren baten Wissenschaftler 102 junge Leute, zwei Tage lang ihr Handy nicht zu benutzen. 82 ließen sich auf den Versuch ein, aber nur 12 hielten bis zum Ende durch. Für die anderen war es offenbar nicht möglich, auch nur 48 Stunden ohne ihr Nokia oder iPhone auszukommen.
Das Mobiltelefon ist für Jugendliche Kommunikationsmedium, Statussymbol und Multimediastation zugleich. Es ist praktisch Grundvoraussetzung, um am Leben einer Clique teilzunehmen. So
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