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Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Titel: Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Schaefer
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man aus der Kindheit kennt.
    Jugendliche Besitzer: Die eigene Identität finden
    Die 19 -jährige Marga liebt ihr Motorrad, »eine Moto Guzzi, schwarz mit viel Chrom und rundem Licht, so ’ne gemütliche Schöne, in die ich mich sofort verliebt habe«. Ihr komme es nicht auf einen Geschwindigkeitsrausch an, unterstreicht die Studentin, »aber es ist toll, beim Fahren Wind und Luft zu spüren«. Sie hat sich das Gefährt selbst erarbeitet und den Kauf gegen den Widerstand der Mutter durchgezogen, erzählt sie. Diese hatte der Tochter zum Abitur ein Auto schenken wollen und ein Motorrad für ein Mädchen absolut unpassend gefunden. Doch die junge Frau entschied sich für das Zweirad, wohl auch um zu einer Gruppe »reichlich verrückter, kreativer Motorradfans dazuzugehören«. Marga hat ihm einen Namen gegeben (»Es heißt Gregorij, weil ich russische Schriftsteller sehr mag und den Namen toll fand.«) und redet manchmal mit ihm. Das Vehikel sei ihr ganzer Stolz, betont sie: »Wenn man zu Motorradtreffs fährt, stellt man sich hin und denkt ›Das gehört mir‹ – das ist ein tolles Gefühl.«
    Das Interview mit Marga ist Teil einer Studie, die Tilmann Habermas von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main durchführte. Der Wissenschaftler hat sich intensiv mit der Beziehung von jungen Leuten zu Dingen befasst. Vor einigen Jahren interviewte er 338 Studenten im ersten Semester zu ihren wichtigsten persönlichen Objekten – darunter die motorradbegeisterte Marga. Auch andere Forscher haben untersucht, welche Bedeutung Besitztümer an der Schwelle zum Erwachsenenalter haben. Dabei zeigte sich: Wie in der Kindheit stellen Gegenstände in der Jugend eine wichtige Hilfe dar, um die anstehenden Entwicklungsaufgaben zu stemmen. Mit der Pubertät ändert sich die Beziehung zu Dingen; sie ist aber kaum weniger intensiv als in den Jahren zuvor.
    Für die meisten Teenager ist es außerordentlich wichtig, die »richtigen« Klamotten, Sportutensilien und technischen Geräte zu besitzen. Was richtig ist, darüber wird stundenlang mit Freunden diskutiert. Über den Coolheitsfaktor entscheiden Nuancen, die für Erwachsene oft kaum zu erkennen sind, und die Regeln verändern sich schnell. Eine Jeans, die heute noch als »endgeil« gilt, kann morgen schon »unterirdisch« sein – sehr zum Ärger von Eltern, die wenig begeistert sind, wenn teure, kaum getragene Kleidungsstücke einfach so in die Altkleidersammlung wandern. Mancher Teen geht deshalb lieber gleich dazu über, seine Konsumwünsche durch einen Job im Supermarkt oder als Nachhilfelehrer selbst zu finanzieren.
    Die heutigen Teenager haben den Ruf, besonders materialistisch zu sein. Doch auch frühere Generationen konnten sich schon für bestimmte Sachen begeistern. In den 1950 er Jahren waren es Petticoat, Röhrenjeans und Heliodor-Schallplatten, von denen Halbstarke träumten. In den 1980 er Jahren, als ich den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter machte, standen Karottenhosen, Turnschuhe mit Klettverschluss und ein Commodore C 64 auf den Wunschlisten Jugendlicher. Heute muss man ein iPhone, Klamotten von G-Star und ein Scooter-Kickboard besitzen, um in zu sein.
    Nach Erikson besteht die hauptsächliche Aufgabe in der Jugendzeit (die bei ihm mit etwa zwölf Jahren beginnt und bis zwanzig, aber auch deutlich länger dauern kann) darin, die eigene Identität zu definieren und auszuformen. Wer bin ich, so lautet die alles beherrschende Frage. Unterschiedliche Rollen werden ausprobiert und modische Vorlieben, Gruppenzugehörigkeiten, politische Anschauungen und Berufspläne so schnell gewechselt wie Unterhosen. Plötzlich ist es auch unglaublich wichtig, was die Freunde über einen denken. Die Peergroup wird zum Dreh- und Angelpunkt, und was die Eltern sagen, ist grundsätzlich erst einmal blöd.
    Bei der Suche nach der eigenen Identität greifen Jugendliche in unterschiedlicher Weise auf Besitztümer zurück, wie verschiedene Untersuchungen zeigen:
    ◆ Autonomie und Grenzerfahrungen: In der Jugend will man seine wachsende Unabhängigkeit spüren, sucht das Risiko und intensive Sinneseindrücke. Insbesondere junge Männer, aber auch junge Frauen wie Marga lieben es, an den Rand der eigenen körperlichen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten zu gehen. Fahrzeuge (Autos, Motorräder) sowie Sportgeräte (Snowboards, Surfbretter, Mountainbikes) sind dafür hervorragend geeignet und zählen folglich zu den Lieblingssachen. »Was kann ich? Was ist möglich?« Wer

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