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Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Titel: Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Schaefer
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jeder geht anders mit ihm um. Dies ist der Grund, warum Dinge so viel über den Besitzer verraten können.
    Das zeigt sich vielleicht am deutlichsten bei der Frage, ob die Liebe zu Dingen ein Ersatz für menschliche Beziehungen ist. Ein weitverbreitetes Vorurteil lautet schließlich: Wer sehr an Besitz hängt, hat Probleme mit dem sozialen Miteinander. Stimmt das? Oder andersherum gefragt: Kann ein Mensch gleichzeitig Dinge und Menschen in sein Herz schließen? Die Antwort muss wohl heißen: Es kommt darauf an.
    In der bereits in Kapitel 4 angesprochenen Studie über Besitztümer in den USA und in Niger machten die Forscher Melanie Wallendorf und Eric Arnould eine interessante Beobachtung: Die Teilnehmer, die besonders viele und wichtige Lieblingsdinge nennen konnten, waren auch jene, die besonders viele und bedeutsame soziale Kontakte hatten. Die Erklärung: Wenn jemand enge Freundschaften und Familienbande pflegt, dann schließt er Dinge ins Herz, die diese Beziehungen repräsentieren. Das kann ein Geschenk der besten Freundin sein, eine Bastelei des Lieblingsenkels oder ein Erbstück, das man von einem verehrten Mentor bekommen hat. Und diese Dinge sind dann für den Besitzer besonders wertvoll, wertvoller als die Lieblingssachen für sozial weniger Vernetzte.
    Die Autoren der Chicago-Studie vermuten sogar, dass eine positive Einstellung zu Dingen die Sozialfähigkeit verbessert. Csziksentmihalyi und Rochberg-Halton fiel auf, dass sich in manchen der von ihnen befragten Familien alle Mitglieder – Eltern, Kinder und Großeltern – in wohlwollender Weise über ihr Zuhause und die darin befindlichen Sachen äußerten. In anderen Familien dagegen waren nur neutrale oder negativ gefärbte Beschreibungen zu hören. Bei genauerer Analyse stellten sich weitreichende Unterschiede zwischen den Familien heraus. In den sich positiv äußernden Familien waren die menschlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern enger und wärmer; die Familienmitglieder beschrieben sich als geselliger, hilfsbereiter und weniger misstrauisch; sie engagierten sich mehr in Vereinen und für gemeinnützige Zwecke als die Mitglieder der neutral oder negativ sprechenden Familien. Wie lässt sich dieses erstaunliche Ergebnis erklären? Ein als warm empfundenes und mit geliebten Dingen gefülltes Heim, argumentieren die Autoren, setzt in Menschen Energien frei, die für die Sorge um andere genutzt werden können. Ein »kaltes« Zuhause dagegen, in dem Dinge einen rein materiellen Wert haben, ruft in den Bewohnern Unsicherheit und Isolationsgefühle hervor, so dass sie keine Kraft für tiefgehende Sozialbeziehungen und gesellschaftliches Engagement übrighaben.
    Zugegeben, dies ist eine recht weitreichende Interpretation, der man nicht unbedingt folgen muss. Vielleicht dehnen Menschen, die generell viel Liebe und Begeisterungsfähigkeit in sich haben, diese gleichermaßen auf Dinge, Menschen und die Gesellschaft aus. Dann wäre der in der Studie gefundene Zusammenhang zwischen der Einstellung zum Heim und den Beziehungen zu anderen Menschen nicht als Kausalität, sondern als Korrelation – als zwei Seiten derselben Medaille – zu verstehen.
    Wie immer man die Ergebnisse interpretiert, die Chicago-Studie ebenso wie die von Wallendorf und Arnould zeigen: Die Liebe zu Menschen und die Liebe zu Dingen müssen keine Gegensätze sein. Wohnungen, die beispielsweise mit Fotos von Freunden, Gesellschaftsspielen, Geschenken und Erinnerungsstücken angefüllt sind, deuten darauf hin, dass sich die Bewohner ein enges soziales Netzwerk aufgebaut haben. Man denke nur an die Clarkes aus der Studie des Soziologen Miller. Das soll nicht heißen, dass materielle Fülle zwingend für soziale Eingebundenheit steht. Fraglos gibt es eine Menge Leute, die ihr Heim mit Sachen vollstopfen, um Einsamkeit, Isolation und Langeweile zu überdecken.
    In gleicher Weise geht eine spärlich möblierte Wohnung nicht unbedingt mit einem reichen Innen- und Sozialleben des Bewohners einher. Viel leerer Raum kann – wie bei Silke Behl – in der Tat bedeuten, dass jemand Platz für zwischenmenschliche, intellektuelle, künstlerische oder spirituelle Erfahrungen braucht. Er kann aber genauso gut die innere Leere des Bewohners widerspiegeln. In einem Kapitel beschreibt Miller einen Mann, der in äußerst kargen und schmucklosen Räumen lebt. Im Interview wird dem Wissenschaftler klar, Georg ist genau wie seine Behausung: nüchtern, emotionslos, ohne Farbe und Leben.
    Kurzum: Ob man

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