Wir sollen sterben wollen Todes Helfer Ueber den Selbstmord - Warum die Mitwirkung am Suizid verboten werden muss Warum der Staat mit dem neuen Paragraphen 217 StGB die Mitwirkung am Suizid foerdern will
werden zu Emblemen der Macht. Es ist, als ob die sich furchtbar auftürmende Todeswoge die Welt zerbrechen sollte, – bis sie endlich an den ihr gesetzten Felsen schlägt und zurückstürmt und die heimholt, von denen sie ausgegangen, und endlich auch den Einen, in dem die Verzweiflung mächtig war von Anfang an. Wir wagen es zu sagen: dies könnte die verborgene Geschichte der zwölf Jahre sein. Die Verneinung kleidete sich in Triumph; der Rausch der Vernichtung war die namenlose Gewalt, mit der sie zur Gefolgschaft hinriß, das Innerste im Wirbel der Selbstsucht, der Gier nach Macht und Ruhm, nach Gut und Tat. Und wie der Selbstmord des Einzelnen zumeist seine Vorgeschichte hat, so hat die geschichtliche Macht der Selbstvernichter eine bedeutende Vorgeschichte; sie setzt eine Konstellation voraus, unter der die erhaltenden, wohltätigen, ordnenden Bilder den Menschen verhüllt sind. Solche Macht tritt nur auf in einer zertrümmerten Welt.
Wir können hier nicht erörtern, wie es zu dieser Verhüllung kam und worin sie sich zeigte. Sicher ist: daß ein Mensch, der zu sich selbst im Mißverhältnis der Bereitschaft zur Selbstvernichtung steht, nicht mächtig werden darf. Er sollte nicht wählbar sein und würde wohl auch schwerlich gewählt werden, wenn ihn nicht der Glanz der Blendung umwitterte. Dieses Phänomen rückt den Selbstmord in einen neuen Aspekt. Er kann nur geschehen, wo mit der Ehrfurcht vor dem Leben und dem Urheber des Lebens – erst diese zweite Ehrfurcht wäre die rettende tragende Kraft – der Zusammenhang allen Lebens und die Verpflichtung an diesen Zusammenhang geleugnet wird. Der Selbstmord – scheinbar das persönlichste, nur gegen das Ich gerichtete Vergehen – ist in Wahrheit nicht auf das Subjekt beschränkt. Alles Leben ist eins; der sein eigenes Leben nicht achtet, verletzt das Leben überhaupt und empört sich gegen Den, der alles Leben gegeben hat. Der Selbstmörder trägt etwas Entsetzliches in die Welt, etwas, das nicht in ihr sein soll und das ihre Ordnung bedroht. Der einzelne Lebende hat kein Recht, auch nicht um den Preis seines Blutes, die Bindung aufzuheben, die alles Leben eint. Seine Haltung, sein Denken haben etwas Zerrüttendes. Niemand wird schuldig an sich allein, weder in diesem noch in irgendeinem andern Sinne. Denn das Gesetz der Ordnung, der Erhaltung, Verwaltung ist Allen gegeben: darum frevelt ein jeder, der dieses Gesetz verletzt, an Allen. Der Entschluß, an sich selbst zu freveln, erkauft in keinem Falle einen echten Wert. Es ist im Grunde eine Tat äußerster Überhebung, das Leben abzuwerfen, das Alle behaupten, verwalten sollen, das Allen teuer ist. Wo das Sein sich selber verneint, da wird ein verbotener Gedanke gedacht; eine Verwirrung der geistigen Sphäre geschieht, deren Folgen so wenig mehr aufzuhalten sind wie die Wirkung eines Steinwurfes auf eine Wasserfläche. Das Leben ist dem Leben verpflichtet; wo es sich nicht verwalten kann, nicht verwalten will, da gibt es ein zerstörendes Beispiel, zeugt der Tod sich fort.
So ist geschehen, was wir schaudernd erlebt haben und noch immer erleben müssen. Von dem innersten gräßlichen Todeskreise her – von Etzels Halle, der die Macht des Selbstvernichters entgegenstürmte und in der sie verzehrt wurde – wogt die Todeswelle fort; es hat sich offenbar so Grauenvolles begeben, daß diese Woge sich nicht mehr beruhigen will. Noch ist der Abgrund offen, sind die haltenden Kräfte nicht auf hinreichende Weise sichtbar, wirksam geworden. Die Not, die in den Tod treibt, ist furchtbar. Aber des Todes ganze Macht ist die Not nicht. Ihm hat sich der Geist der Verzweiflung und Verneinung, des Frevels an sich selber verbündet; es hat sich ein Klima, eine Ära des Selbstmords verdichtet, deren Ursprung ein geistiger Frevel ist. Dieser Frevel besteht in der Lossage; ein Einzelner glaubt Macht, Ruhm, geschichtliches Wirken erkaufen zu können für den selbstgewählten Tod. Ausdrücklich haben sich der Mächtige der zwölf Jahre und die Männer seines Kreises darauf berufen, daß sie bereit seien, selber zu sterben, den Tod zu wählen, als sie ein beispielloses Opfer forderten. Wer – das ist das vernichtende Argument – sein eigenes Leben aufgeben kann, der hat ein grenzenloses Recht an das Leben Aller.
Und doch gelangt solche Haltung, die todernst zu sein scheint, über das willkürliche Spiel mit dem höchsten Einsatz nicht hinaus. Echter Ernst ist in der Verantwortung dem Bestehenden gegenüber. Hier
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