Wir sollen sterben wollen Todes Helfer Ueber den Selbstmord - Warum die Mitwirkung am Suizid verboten werden muss Warum der Staat mit dem neuen Paragraphen 217 StGB die Mitwirkung am Suizid foerdern will
ertragen, ihr Gesicht nicht mehr anblicken, sich nicht mehr erinnern mag an das, was sie gewesen; was von der Mutter, die ihr Kind und sich der Schande entreißt? Was auch von der Verzweiflung der Liebe, die ihr Blut verströmen muß, weil die Überfülle ihres Herzens vereinsamt ist für immer?
Und doch hat der Entschluß zum Tode oftmals eine lange Vorgeschichte. Es mag Menschen geben, von denen es den Anschein hat, daß es ihnen eingeboren sei, von eigner Hand zu fallen. Diese Menschen können etwas Furchtbares haben: sie geben dem Selbstmord ein besonderes Gepräge. Eine Neigung zum Tode, ein Hingezogenwerden zu ihm, scheint das Innerste ihres Wesens auszumachen und von da heraufzudringen in ihr ganzes Empfinden und Handeln. Sind es Künstler, so erlangen sie eine eigentümliche, betörend-verderbliche Melodie. Sie müssen nicht Selbstzerstörer sein, aber sie sind es; irgendeinmal haben sie sich, hat sich ein Etwas in ihnen zum Tode entschieden. Vielleicht ist es ihnen nicht völlig bewußt, doch die Entscheidung, die verborgene »Hochzeit« wirkt sich in ihrem ganzen Lose, ihrem Streben und Versagen aus. Selbstzerstörer, die sie sind, zeichnen sie die Bahn der Zerstörung mit ihren Schritten; ist ihnen ein geistiges Wirken gegeben, so bahnen ihre Gedanken dem Tode einen Weg. All ihr Dasein und Trachten hat etwas Abschüssiges. Wehe so manchem, der ihnen begegnet, sie können zur großen Gefahr werden! Die Gewichte des Todes in einer Seele haben eine anziehende Macht.
Es scheint auch eine Kraft hervorgehen zu können aus dem Entschluß zum Tode. Wer immer bereit ist, den Tod zu vollziehn, vermag fast Unmögliches zu tun, fast Untragbares zu bestehn; er scheint gefeit. Und doch haftet ihm etwas Segenloses an. Ein Mensch, der immerfort bereit ist, sich selbst zu vernichten, der in einer tödlichen Beziehung zu sich selber steht: wie sollte er in der rechten Beziehung zu den andern Menschen, der Umwelt sein? Wer kann erhalten, der sich selbst nicht erhalten mag? Wer wird vor der Zerstörung zurückbeben, da er sich selber zerstören will?
Aus solcher inneren Bereitschaft zum Selbstmord, zum Verbrechen an dem Bruder unserer Seele, kann geschichtliches Handeln werden. Daß Friedrich der Große in den schwersten Jahren des Siebenjährigen Krieges sich an der Bereitschaft zum Selbstmord stärkte und gewissermaßen dem Tode schon einen Teil des Geschickes auflud, das er sich selbst heraufgerufen hatte, ist wohl nicht zu bezweifeln. Ob er den Mord im Falle der Katastrophe begangen hätte, wissen wir nicht; vielleicht stand er doch noch zu fest im Zusammenhang seines Erbes und Amtes, als daß er – selbst wenn es der »Ehre« wegen hätte geschehen sollen – seine Verpflichtung abgeworfen hätte.
Aber mit Schaudern rührte es uns an, als in der furchtbaren Rede, die den zweiten Weltkrieg eröffnete, der Schatten Friedrichs wiederholt beschworen wurde. Damit war im Grunde die Verzweiflung zur Herrschaft erhoben: Unter dem Bilde des dämonischen Königs, der selber noch davor bewahrt blieb, Opfer seines Dämons zu werden, brach der Abgrund des Todes auf, in den in ungeheuren Wirbeln Heere und Völker gerissen wurden. Wohl hatte die Siegesgewißheit die Stimme; aber unheimliche Klänge mischten sich, wie an jenem Septembermorgen, immer wieder in die Fanfaren. Es waren die einzig wahrhaftigen Laute im Munde der Lüge und als solche auf das deutlichste von falschen Voraussagen unterschieden. Wenn sich irgendwann von Menschen sagen ließ, daß sie einen schrecklichen Tod in sich trügen, so von den Mächtigen der zwölf Jahre. Etzels Halle, eines der immer wieder heraufgerufenen, gefeierten Bilder, war wie das Leitbild, das sie zog.
Wir wissen das ganze Geheimnis eines Menschen und seines Todes nicht. Unsere Urteile bleiben ins Irdische verwiesen. Die Toten erreicht kein gültiges Urteil mehr. Das Eine aber ist gewiß, daß einem Volke und damit der Welt kaum Schlimmeres beschieden sein kann, als die Herrschaft eines Menschen, der im Geheimen, sei es bewußt, sei es unbewußt, entschieden ist, sich selbst zu vernichten. Von ihm geht der Tod fast unwiderstehlich aus. Die ihm begegnen, geraten in sein Gefälle; und die Todesgewalt wird um so furchtbarer, je größer die Macht dieses Menschen ist. Vom Tode her wächst sie, und was sie sich unterwirft, bringt sie dem Tode zu. Er verdirbt, die mit ihm sind; die ihn feiern, preisen, ohne es zu wissen, den Tod. Die Embleme des Todes erscheinen auf den Waffen, den Fahnen und
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