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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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aus dem Bergischen. Das ist auf der anderen Rheinseite. Da sind die Leute etwas anders.«
    Bastian setzte sich neben sie auf die zerschlissene Couch und ließ Herrn Wutz eine Weile vor ihren Augen tanzen. Das rote Halstuch verbarg seine Hand und der goldene Ohrring glitzerte im Dämmerlicht.
    Der Tanz wurde ruhiger. Herr Wutz sah Elli mit großen schwarzen Knopfaugen an. »Nun, Elli, hast du dir eine Geschichte ausgesucht?«
    »Schneeweißchen und Rosenrot«, sagte Elli. »Ist nämlich meine Lieblingsgeschichte.«
    »So, so«, sagte Herr Wutz und gähnte. »Das wird ja ein langweiliger Abend.«
    »Häh! Wieso sind Lieblingsgeschichten langweilig?«, fragte Elli.
    »Neue Geschichten sind spannend. Geschichten von Menschen, die in die Welt ziehen und Abenteuer erleben.«
    »Ich will keine Menschengeschichten. Ich will Tiere. Irgendwas mit Pferden.«
    Herr Wutz schnaufte aus tiefster Seele: »Pferde. Ich glaube, ich lege mich lieber wieder in meinen Rucksack. Zu langweilig.«
    »Du kennst keine. Oder?«
    Herr Wutz machte sich groß. Ein in seiner Ehre gekränkter Geschichtenerzähler. Er reckte das Kinn und wandte sich zur Seite. »Tiere? Nun gut. Esel, Hund, Katze und Hahn. Ein ganzer Bauernhof. Ist das ein Angebot?«
    »Jaaah«, jubelte Elli und wollte schon ihre Arme um Bastians Hals schlingen. »Los, Wutz, erzähl!« Sie fiel zurück und wippte ungeduldig auf dem Stuhl.
    Wutz kratzte sich die Stirn und breitete die Arme aus: »Für dich immer noch ›Herr‹ Wutz!« Er klang streng und neigte seinen Kopf nach vorne. »Hast du vergessen, wie es geht? Den Ohrring reiben und wünschen.«
    Elli beugte sich vor und rieb den Ohrring. »Entschuldige bitte, Herr Wutz. Aber jetzt die Geschichte von Esel, Hund, Katze und Hahn. Bitte fang an.«
    Herr Wutz seufzte, schüttelte den Kopf und hob die Arme. Dann setzte er sich auf die Tischkante: »Es war einmal ...«, brummte er.
    Elli schmiegte sich behaglich in die Sofaecke. »Endlich«, hauchte sie.
    » ... ein grauer, alter Esel, der sein Leben lang die Getreidesäcke zur Mühle getragen hatte. Doch nun, da er das nicht mehr konnte, wollte sein Herr ihn nicht mehr versorgen. ›Was soll’s‹, sagte sich der alte Esel, ›etwas Besseres als den Tod finde ich überall. Ich gehe nach Bremen und werde Musikant ...‹«
    »Musikant?« Elli lachte. »Ist das einer, der Musik macht? Will er ›I-a‹ singen?«
    »Wart es nur ab«, brummte Herr Wutz. »Auf seinem Weg nach Bremen traf er auf einen japsenden, humpelnden Hund. Der sah so müde und unglücklich aus, dass der Esel ihn ansprach: ›He, du da, was hechelst du so?‹ – ›Ach‹, stöhnte der Hund, ›ich tauge nicht mehr für die Jagd und nun will mein Herr mich totschlagen. Da bin ich einfach losgerannt.‹ – ›So, so‹, sagte der Esel. ›Ich sag dir: Etwas Besseres als den Tod finde ich überall ...‹«
    »Warum sagt der das immer?«, fragte Elli.
    »Weil er Mut machen will«, sagte Herr Wutz. »Auch wenn es einem noch so mies geht, soll man nicht aufgeben. Niemals.« Herr Wutz legte den Kopf schräg und holte tief Luft. »Auf jeden Fall ging der Hund nun auch mit nach Bremen. Unterwegs trafen sie noch eine zahnlose Katze, die keine Mäuse fangen konnte, und einen Hahn, der geschlachtet werden sollte, aber einfach davonflog. Zu viert machten sie sich auf den Weg nach Bremen.«
    »Ein Kikeriki-Hahn. Das ist witzig.« Elli wurde vor Vergnügen ganz zappelig. »Schaffen sie es?«
    Herr Wutz wiegte bedächtig den Kopf. »Sie schaffen etwas viel Besseres«, sagte er. »Auf ihrem Weg nach Bremen kommen sie an einem Räuberhaus vorbei.«
    »Räuber sind böse. Das weiß ich.«
    »Ja«, sagte Herr Wutz und seine Stimme bekam einen traurigen Klang. »Sie nehmen den Menschen alles weg.«
    »Sind das die gleichen Räuber, die auch Papa geklaut haben?«
    »Elli.« Bastian zuckte zusammen und schluckte und einen Moment lang fiel ihm das Sprechen schwer. Er räusperte sich, dann fuhr er fort. »Möglich ist das. Aber die vier Freunde aus der Geschichte, also, die tun sich zusammen und jagen den Räubern einen ordentlichen Schrecken ein.«
    »Juchhu!«, rief Elli.
    »Und das ging so«, erzählte Herr Wutz weiter. »Sie stellten sich übereinander. Unten der alte Esel, darüber der zottelige Hund. Auf seinen Schultern die zahnlose Katze und ganz oben der Hahn. Und dann haben sie gesungen: I-a, Miau, Wauwau und Kikeriki. Sie sind durch das Fenster gesprungen, haben getreten, gebissen, gekratzt und mit dem Schnabel um sich

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