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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Lager und schreibt einmal im Monat einen Brief, in dem nichts steht. Was soll denn da noch schlimmer werden?«, fuhr Bastian ungerührt fort.
    »Noch leben wir.« Frau Frei sagte es trotzig.
    Paul sah die Traurigkeit in Bastians Augen und fragte, um die Stille zu füllen: »Dein Vater?« Er deutete dabei auf die Fotos.
    »Ja«, antwortete Bastian, »das ist mein Vater. Die Nazis haben ihn verhaftet und weggesperrt. Er sitzt in einem Lager im Emsland. Sie stechen dort Torf. Das nennt man Schutzhaft.« Er sah Paul an, als wollte er sagen, das darfst du ruhig wissen. »Er ist in der Gewerkschaft. Ein Arbeiter. Für ihn gab es nichts Besseres. Arbeiten mit den Händen und dem Kopf. Wenn beides zusammen ging, war er glücklich. Und am Wochenende raus in die Natur.«
    »Das Schöne in seinem Leben ist seine Familie«, fuhr Frau Frei fort. »Sein Herz hängt an uns. Alles andere war Klöckner-Humboldt-Deutz. Josef Frei, Schlossermeister. Gewerkschafter. Er ist so stolz und dickköpfig.« Sie deutete auf Bastian. »Behalte meine Worte im Kopf, wenn du dich mit dem da einlässt. Der ist genau so ’n Dickschädel.«
    Mit der Hand wirbelte sie Bastians Haare durcheinander. »Wasch dir die Haare«, sagte sie mit einem rauen Lachen. Und zu Paul gewandt: »Du auch.«
    »Basti, Basti, da bist du ja endlich«, jubelte ein kleines Mädchen und stürmte in die Küche. Ihre dünnen Zöpfe wippten auf und ab. Mitten in ihrer Bewegung stoppte sie, versteckte sich hinter Bastians Bein und zeigte auf Paul. »Wer ist das?«
    Paul bückte sich und hielt ihr die Hand entgegen. »Hallo, Elli, ich bin Paul. Bastian hat mir von dir erzählt.«
    Sie schürzte die Lippen und ihr Blick verdunkelte sich. Dabei sah sie Paul fest an.
    Er stand auf, ging zu seinem Rucksack und kramte darin herum. Er tat geheimnisvoll, kehrte allen den Rücken zu und drehte sich langsam wieder zu Elli. Auf seinem Zeigefinger saß Wutz, der Bär, und hielt den Kopf schräg.
    Elli sagte: »Oh«, und klatschte vor Freude in die Hände.
    »Hallo, Elli«, sagte Herr Wutz mit tiefer, brummiger Stimme. »Ich bin Herr Wutz. Willst du eine Geschichte hören?«
    »Au ja, eine Geschichte!«, rief Elli. Sie sah Paul an und schüttelte den Kopf. »Aber von Bastian. Er soll Herrn Wutz nehmen.«
    Bastian lächelte. Ja, er war für Elli der große Bruder, der Vaterersatz, der Geschichtenerzähler. So war es schon lange. Und er war stolz darauf. Er streichelte seiner kleinen Schwester über den Kopf.
    Sie drängelte: »Jetzt fang endlich an zu erzählen!«
    Auf dem Herd dampfte der Erbseneintopf. Im Schlafzimmer goss Frau Frei Wasser in eine Schüssel.
    Paul zog Herrn Wutz von seinen Fingern und reichte ihn Bastian.
    »Geh vorsichtig mit ihm um«, flüsterte er laut genug, dass Elli die Ohren spitzte, »der macht sonst mit dir, was er will.« Dann zog er sich das Hemd über den Kopf und ging ins Nachbarzimmer.
    Bastian hielt Herrn Wutz in seiner Hand. Der Kopf hing schlaff herunter. Die Arme baumelten leblos. »Mann, Paul! Wie geht das?«, rief er zum Schlafzimmer hinüber.
    »Du bist aber auch ein Anfänger«, rief Paul zurück. »Elli muss sich eine Geschichte wünschen und dabei den goldenen Ohrring reiben. Und du musst deine Finger in seine Ärmel und den Kopf schieben. Alles andere geht von selbst.«
    »Ach so«, murmelte Bastian. Und zu Elli sagte er: »Es ist nämlich so. Wir drei kennen uns noch nicht lange.« Er legte den Zeigefinger auf den Mund und kniff ein Auge zu. »Herr Wutz ist mir zugelaufen und Paul rannte einfach hinter ihm her.« Während er weitersprach, stand er auf und schlich zu Pauls Rucksack, griff hinein und zog erschrocken seine Hand zurück. Verdammt, dachte er. Dieser Paul tat so harmlos und schleppte eine Pistole mit sich herum. Er zwang sich, ruhig zu bleiben.
    »Wirklich wahr?« Elli stand dort mit großen staunenden Augen. »Nee, geht nicht! Der hat doch keine Beine, der konnte gar nicht laufen.«
    Bastian war jetzt wieder bei ihr. »Elli, du machst es mir wirklich nicht leicht. Du bist immer so neunmalklug.«
    »Zehnmalklug. Zehnmalklug ist besser.« Sie lachte verschmitzt.
    »Ja, Elli. Toll. Du kannst schon bis zehn zählen. Herr Wutz wohnt im Rucksack von Paul. Darin sind offenbar noch ganz andere wundersame Sachen versteckt.«
    Elli öffnete den Mund und staunte: »Ooooh.«
    Im Schlafzimmer glitt Paul in dem Augenblick die Seife aus der Hand.
    »Ist was, Paul?«, rief Bastian.
    Und Herr Wutz flüsterte Elli mit tiefer Stimme ins Ohr: »Wir kommen

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