Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
warten. Versprochen.«
Eine halbe Stunde später stieg er die Stufen zum Bezirksamt Ehrenfeld hinauf. Er ermahnte sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Sein Herz raste. Aber er hatte an seinem Handzittern gearbeitet. Seine Finger konnte er ruhighalten.
Es war früher Morgen. Trotzdem standen schon Menschentrauben in den Gängen. Paul suchte das Büro, das für den Buchstaben K zuständig war, und reihte sich in die Schlange ein. Nur mit halber Aufmerksamkeit hörte er den Gesprächen der Wartenden zu. Die meisten von ihnen waren Ausgebombte, die eine neue Unterkunft brauchten.
Als er an der Reihe war, holte er tief Luft und betrat das Zimmer. Aktenberge stapelten sich auf dem schlichten Holzschreibtisch und die Regale quollen über. Das Bild des Führers hing an der Wand. Es war ein Porträt im Halbprofil. Adolf blickte zur Seite, zur Wand mit den Fenstern, die zur Straße zeigten. Er blickte entschlossen wie immer in die weite Ferne – über die Schuttberge hinweg.
»Na, kommen Sie mal zügig rein, junger Mann. Sie sehen doch, was hier los ist.« Die Stimme gehörte einem älteren Mann, der Paul nur flüchtig musterte. Seine grauen Haarsträhnen waren mit Wasser akkurat über die Halbglatze geklebt. Tiefe Falten furchten die Stirn. Während Paul näher trat, hörte der Mann nicht auf, zwischen den Aktenstapeln zu wühlen.
»Ich möchte mich anmelden. Ich habe Arbeit und Unterkunft in der Gärtnerei Rose in der Widdersdorfer Straße gefunden.« Pauls Stimme war belegt, sein Mund trocken und er räusperte sich mehrmals. Er reichte dem Mann seinen Ausweis und das Schreiben von Frau Rose über den Schreibtisch.
Der Beamte nahm beides entgegen. Er warf einen prüfenden Blick auf das Foto, dann auf Paul. »So, so, von Oberhausen nach Köln. Das versteh ich gut.« Und er grinste in sich hinein, als hätte er einen Witz gemacht. Mit seinem Füller trug er die neue Anschrift in die Papiere ein und füllte verschiedene Formulare aus, die er Paul zur Unterschrift gab. Als seine Hand zum Stempel griff, hätte Paul ihn am liebsten umarmt.
»Verwendungsfähigkeit?«, fragte der Mann plötzlich.
Paul glotzte überrascht. Da war er in einer schlaflosen Nacht ungefähr tausend Fragen durchgegangen und hatte nicht über seine Verwendungsfähigkeit nachgedacht.
Der Mann tippte mit dem Zeigefinger in Peter Königs Ausweis. »Hier ist kein Vermerk. Sie sind nicht freigestellt? Sie sind dienstpflichtig?«
Paul sah ihn hilflos an.
Der Mann wischte sich die Stirn und sah aus dem Fenster. Er schien angestrengt nachzudenken. »Sie arbeiten zwar in einem kriegswichtigen Betrieb, aber die Arbeitsverwaltung kann Sie heranziehen.« Er saß jetzt aufrecht in seinem Stuhl. Paul machte sich auf eine langatmige Belehrung gefasst.
»Ich dachte«, sagte er daher schnell, »wenn ich mich bei Ihnen anmelde und eine Arbeit, eine kriegswichtige Arbeit vorweise, kümmern Sie sich vielleicht um meine Papiere. Ich war ein paar Tage verschüttet und habe lange im Krankenhaus gelegen. Aber ich kann und will arbeiten.«
»Ja«, sagte der Mann. »Ihre fehlenden Unterlagen lassen wir aus Oberhausen kommen. Danach werden wir sehen.« Er zeigte auf einen Aktenstapel und seufzte. »Sie sind kein Einzelfall. Ich tue, was ich kann. Ich sehe ja Ihren guten Willen. Sie sind kein Drückeberger, nicht wahr?«
»Nein«, sagte Paul. »Gewiss nicht. Es ist nur so, ich habe lange nichts aus Oberhausen gehört. Vielleicht hat meine Familie schon die Stadt verlassen. Vielleicht sucht sie mich.«
»Sie brauchen Geduld, junger Mann. Ich bescheinige Ihre Anmeldung und händige Ihnen die Kennkarte aus. Gehen Sie damit zum Wehramt. Die legen ein Wehrstammblatt an und bringen das mit Ihren Papieren in Ordnung. Sie sind doch gemustert? Reichsarbeitsdienst? Oder schon Ersatzreserve?« Der Mann hatte es wirklich eilig, und Paul strengte sich an, ihm zu folgen.
»Ich habe ein Pferd«, sagte Paul. »Und einen Wagen.«
»Großartig«, sagte der Mann und schrieb einen Vermerk. »Dann helfen Sie uns beim Schutträumen. Sie sind jung und kräftig – und mit Pferd und Wagen, das hat nicht jeder.« Er schrieb auch etwas in Pauls Ausweis und drückte einen Stempel hinein. »Wir melden uns. Ich mache eine Anfrage bei der Gestapo, schon wegen Ihrer Familie. Die wissen eigentlich immer alles.« Der Mann sah ihn an. »Sie haben doch nichts zu verbergen? Irgendetwas ausgefressen?«
»Nein, nein«, beeilte sich Paul.
Keine weiteren Fragen, nur ein »Grüßen Sie Frau Rose von
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