Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten
Kränze und das Büro. Du wirst ihr zur Hand gehen. Ob du es glaubst oder nicht, wir sind ein kriegswichtiger Betrieb. Das hat vielleicht ein paar Vorteile für dich. Mal sehen, wie du dich anstellst.«
Sie schob eine widerspenstige Haarsträhne zurück unter das Kopftuch. »Sieh zu, dass du mit Herrn Lagusch auskommst. Er ist etwas eigen. Die anderen wirst du kennenlernen. Ob wir einen Gärtner aus dir machen können, werden wir sehen.« Ein Lächeln flog kurz über ihr Gesicht. »Hauptsache, du kannst ordentlich zupacken, Peter. Wenn es Schwierigkeiten gibt, kommst du zu mir.«
Frau Rose hatte ihr Herz auf dem rechten Fleck. Das spürte Paul und er mochte sie sofort.
»Hast du deinen Ausweis? Du musst dir ein Arbeitsbuch besorgen. Franzi hat mir gesagt, dass alles andere verbrannt ist.« Sie sah ihn aufmerksam und zugleich mitfühlend an.
Paul schluckte. Das war die erste Bewährungsprobe für seine neuen Papiere.
Frau Rose warf einen kurzen Blick drauf und gab sie ihm zurück. »Du musst dich anmelden und dir Lebensmittelmarken besorgen. Dafür gebe ich dir morgen frei.« Sie wischte ihre Hände an der Schürze ab. »Und noch etwas, Paul. Es ist besser, wenn wir das gleich klären. Ich dulde keine Liebeleien zwischen Franzi und dir in meiner Gärtnerei.«
Mist, dachte Paul. Die Frau hatte ihn und Franzi sofort durchschaut und regelte nun alles nach ihren Vorstellungen. Der Ernst des Lebens hatte ihn fest in den Klauen. Tschüss, Schrebergarten. Tschüss, Liebesnest. Das war also der Preis für Legalität und Unterkunft. Er sah zu Franzi hinüber.
Aber die lächelte nur vor sich hin, als wolle sie sagen: »So ist sie nun mal, meine Tante.«
Und die machte auch schon weiter: »Wenn du Besuch hast, kommt der durch die Vordertür und sagt mir Guten Tag. In deiner Freizeit kannst du natürlich machen, was du willst. Aber nicht hier. Ich will wissen, was auf meinem Grund vor sich geht. Ich meine vor allem diese merkwürdigen Jungs, mit denen sich Hotte herumtreibt.« Sie machte eine Pause und setzte einen Blick auf, der vor Mitgefühl und Bedauern triefte. »Wir können auch nicht immer, wie wir wollen, Paul. Und wir müssen uns erst kennenlernen. Was denkst du? Wollen wir es versuchen?«
»Ja, Frau Rose«, sagte Paul. »Versuchen wir es.«
Frau Rose überließ ihn dem Vorarbeiter, einem mittelgroßen Mann mit kurzen Beinen, jenseits der sechzig, mit wachen Augen in einem wettergegerbten Gesicht. Herr Lagusch war unrasiert und roch nach Erde. Seine Hände waren groß wie Schaufeln. Ständig krauste er schnüffelnd die Nase. Paul dachte bei seinem Anblick an einen Maulwurf, wären da nicht die Augen gewesen. Und diese Augen waren es, die ihn, Paul, von oben bis unten misstrauisch musterten.
Lagusch watschelte auf kurzen Beinen vor ihnen her, quer über das Gelände. »Du ziehst in die Kammer im alten Pferdestall. Hoffentlich bist du nicht verwöhnt«, sagte er.
Paul nickte, blieb aber schweigsam. Ein Lächeln ersetzte die Worte. Mit denen wollte er bei Lagusch sehr sparsam umgehen. Opa Tesch hatte ihn schon gewarnt. Lagusch sei ein mieser, kleiner Schnüffler. Ein Nazi erster Güte. Ein Maulheld, der angeblich schon alles mitgemacht hatte: vom Freikorps bis zu den SA -Schlägern, ein Vorstadtganove und Schieber.
»Lagusch ist wie das Fettauge auf der Suppe«, hatte Opa Tesch gemeint. »Immer mittendrin und obenauf.«
Der Stall lag am Ende des lang gestreckten Gärtnereigeländes hinter den Gewächshäusern. Auf einer Wiese, die sie durchquerten, standen reihenweise Obstbäume und neben dem Schuppen war eine Pferdekoppel. Der Pumpenschwengel hing abgerissen an einem Pfahl über der Tränke. Am Ende des gesamten Grundstücks lag ein schmaler, niedriger Bau aus roten Ziegelsteinen, in dem früher Schweine gehalten wurden. Paul konnte es immer noch riechen. Jetzt stand ein Fuhrwerk darin und in einem Drahtgehege tummelten sich pickende, scharrende Hühner. Dahinter lag dichtes Brombeergestrüpp.
»Na«, fragte Franzi, »wie findest du es?«
Lagusch stand etwas abseits, die Hände tief in der grünen Arbeitshose, und spitzte die Ohren.
»Tadellos«, sagte Paul.
Links hing windschief die Tür zu einer Kammer in den Angeln und rechts war eine Pferdebox. Ein großer dunkler Schatten stand dicht an die Wand gelehnt und schnaubte. Pauls Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Doch plötzlich erschrak er.
»Was fällt euch ein, das Tier so verwahrlosen zu lassen?«, schnauzte Paul. Er konnte sich
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