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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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vollheulst.«
    Bastian spürte ihn wieder, diesen kleinen Stich, irgendwo in der Herzgegend. Auf einer Fahrt zum Blauen See hatte Franzi mit ihm geknutscht.
    »Ich bin darüber weg«, sagte er, ohne Hotte anzusehen.
    »Du bist wirklich ein harter Hund, Bastian.« Er stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. Es tat nicht weh. Nicht so weh wie der Stich.
    »Und? Was hältst du von dem da?« Bastian musste unbedingt von sich ablenken.
    »Komischer Vogel. Aber er scheint Franzi zu gefallen. Sonst hätte sie ihn nicht mitgebracht.«
    »Na, danke schön. Immer auf die gleiche Stelle. Du bist wirklich ein Freund.« Bastian schob Hotte spielerisch von sich weg. »Sag mir lieber, was du von seiner Geschichte hältst.«
    »Da ist bestimmt was dran.« Bastian beobachtete, wie sich Hottes Gesicht verdüsterte. »Wir stellen seit einiger Zeit Züge zusammen. Auf den Auftragszetteln steht: Massenbeförderung in Sonderreisewagen. Ein Zug besteht aus einem gedeckten Güterwaggon für Gepäck, Abteilwagen 2. Klasse für die Begleitkommandos und zwanzig, fünfundzwanzig Viehwaggons. In die Waggons gehen so dreißig oder fünfunddreißig Leute. Kannst du rechnen? Wir bringen den Zug nach Müngersdorf und stellen ihn an die Rampe. Einmal, manchmal zweimal in der Woche. Immer nachts. Im Morgengrauen ist er dann verschwunden. Manchmal sieht man winkende Hände aus den Waggons. Was denkst du, was das bedeutet?«
    Hotte erwartete keine Antwort.
    »Du hast nie davon erzählt«, sagte Bastian.
    »Nee. Wozu denn auch? Du wärst doch gleich wieder losgezogen, mit deinem Kampfspruch: ›Da müssen wir was tun!‹ Aber können wir etwas tun?«
    »Hast ja recht. Vielleicht ist der eine da schon zu viel für uns.«
    »Versuchen könnten wir es.« Hotte spuckte ins Gras.
    Bastian schüttelte den Kopf. »Und wenn die Gestapo aus dem EL-DE-Haus uns den unterjubeln will? Als Spitzel, Schnüffler oder Provokateur?«
    »Provokateur? Meine Fresse, Bastian. Aus welchem Ärmel zauberst du denn so komplizierte Wörter? Nur weil du eifersüchtig bist?«
    »Dumpfbacke. Guck dir den doch an! Der könnte fast als Arier durchgehen.«
    »Na ja, stimmt. Aber er kann doch nichts dafür, dass er besser aussieht als du.«
    »Halt bloß die Klappe.«
    »Giftzwerg!«, zischte Hotte.
    »So kommen wir aber nicht weiter«, sagte Bastian. »Was machen wir nun mit ihm?«
    Hotte wurde wieder ernst. »Sieh ihn dir an. Der kommt von der anderen Rheinseite und traut sich in diese Stadt. Der kennt hier doch keinen. Ohne Papiere. Kein Dach über dem Kopf und garantiert nichts zu fressen. Der ist mit nichts als sich selbst unterwegs. Und natürlich den Sachen, die er im Rucksack hat. Ein hoffnungsloser Fall, wenn du mich fragst.«
    »Der sieht aus, als wäre er seit Jahren nicht unter Menschen gewesen. Der ist so unbeholfen«, fügte Bastian hinzu.
    »Meiner Schwester gefällt das. Und Zack mag ihn auch.«
    »Der tickt ja auch nicht richtig.«
    »Ich finde diesen Paul irgendwie tapfer«, fasste Hotte seine Einschätzung zusammen. »Also?«
    »Dann mach mal für den Komiker den Schrebergarten klar. Sag Opa Tesch Bescheid. Ich füttere ihn ein bisschen und nehme ihn mir zur Brust.«
    »Wer ist Opa Tesch?«, fragte Hotte.
    »Der Alte, der auf die Gärten hinten aufpasst. Wohnt in dem Nachbargarten.«
    »Geht klar.« Hotte kratzte sich am Kopf. »Bastian, du bist ja doch ein netter Kerl. So langsam kapiere ich, was meine Schwester an dir gefunden hat. Jedenfalls für einen Nachmittag.«
    »Dumpfb acke!«
    »Du wiederholst dich«, sagte Hotte und grinste. »Genau. Du bist langweilig. Das muss Franzi auch gemerkt haben.«

    MIT
    FLIEGERALARM
    WAR immer zu rechnen. Paul beobachtete vom Takuplatz aus, dass Frauen mit Kindern im Schlepptau, Bettzeug oder Koffern unter den Armen, Schutz und eine Mütze Schlaf im karg eingerichteten Tiefbunker suchten. Sie eilten die Treppe hinunter und verschwanden im schummerigen Licht eines niedrigen Raumes. Er sollte sich schnell füllen. Die Menschen schliefen, wenn es die Bomber erlaubten.
    »Guck dir die Leute an. Die machen das jede Nacht?«
    »Reine Gewohnheit und überlebenswichtig. Die Angriffe auf Köln gehen in die Hunderte. Die Leute sind so müde. Jede Nacht im Bunker. Das hältst du nicht lange aus.«
    »Scheißkrieg«, sagte Paul.
    Zack lehnte neben ihm an der Wand und spielte mit einem Stück Tafelkreide.
    »Kreide«, fragte Paul. »Was hast du damit vor?«
    »Die ist wirklich praktisch«, sagte Zack. »Wir markieren unsere Treffpunkte und

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