Wir Tiere: Roman (German Edition)
Handgelenke. Ihre Haare bedeckten ihre Gesichter. Und wir begriffen, dass wir das durften, dass es erlaubt war, dass niemand etwas sagen würde.
Joel trat gegen Paps’ Oberschenkel, so fest er nur konnte.
»Ja«, sagte er, »du solltest uns suchen.«
Ich machte mit, wollte Paps treten, traf aber Ma; es fühlte sich weich und gemein und richtig an. Dann traten und schlugen wir alle drei gleichzeitig, und die beiden sagten kein Wort, rührten sich nicht mal; das einzige Geräusch war das von Haut und Aufprall und Atemzügen, und dann unser Zorn: Warum habt ihr uns nicht gesucht, warum tut ihr nicht das, was ihr sollt, uns suchen, warum nicht, weil ihr böse seid, böse, böse, böse, warum könnt ihr nicht was richtig machen, warum nicht, wir hassen euch, ihr sollt uns suchen, wir hassen euch, alle hassen euch, das nächste Mal kommt ihr gefälligst und sucht uns, das nächste Mal kommt ihr gefälligst .
Wir schlugen immer weiter; wir durften sein, was wir waren, verängstigt, rachsüchtig – kleine Tiere, die sich an das krallten, was sie brauchten.
Nachtwache
P aps fand einen Job, musste aber auch nachts arbeiten, und weil Ma noch immer Nachtschichten in der Brauerei schob, wo es keinen Platz gab, um kleine Jungs zu verstecken, gingen wir unter der Woche mit Paps zur Arbeit und schliefen auf dem Boden vor den Automaten. Paps war der Sicherheitsmann, die Nachtwache.
Eines Nachts wachte ich schweißgebadet und in meinem Schlafsack ganz verdreht auf. Ich strampelte mich frei, stand auf und sah auf meine Brüder hinab, ihre Gesichter von dem Licht, das durchs Fenster fiel, ganz orange, die Kürbislaternenaugen ganz überschattet. Ich ging zu dem Schreibtisch hinüber, an dem Paps zurückgelehnt saß und in einen kleinen Fernseher starrte, Zigarette und Bierflasche in der schlaffen Hand kurz über dem Boden.
Ich fragte ihn, ob es bald Zeit sei, nach Hause zu gehen.
Paps gab sein Hundeknurren von sich und klackte mit den Zähnen, doch dann stellte er die Flasche weg und zog mich auf seinen Schoß. Ich legte mein Gesicht an seine Brust, und er fuhr mir mit der Hand die Wirbelsäule entlang, vom Hinterkopf bis zum unteren Rücken; das tat er immer wieder.
»Ich schlaf lieber im Bett«, sagte ich.
»Ich auch«, sagte Paps. »Ich auch.«
Von seinem Schoß aus konnte ich durchs Fenster schauen. Ein paar Meter entfernt an der Ziegelwand des Nachbargebäudes war eine einzelne orangefarben leuchtende Glühbirne in einen metallenen Gitterkäfig eingeschlossen.
»Warum steckt das Licht da in einem Käfig?«, fragte ich.
»Aus demselben Grund wie ein Vogel«, antwortete Paps.
»Was meinst du damit?«
»Damit es nicht wegfliegen kann.«
»Kannst du es aufsperren?«
»Was glaubst du wohl?«
Nach einer Weile schaltete Paps den Fernseher aus.
»Ich glaub, der Krach hat dich geweckt«, flüsterte er nah bei meinem Ohr, und ich nickte. Ich konnte die Muskeln an seiner Brust spüren, und darunter schlug sein Herz. Ich schlief ein.
Als ich wieder wach wurde, lag ich immer noch in Paps’ Armen, aber er rüttelte mich, stellte mich hin und sagte: »Scheiße. Scheiße. Scheiße.«
Er ging zu Manny und Joel hinüber und stupste sie mit der Schuhspitze an.
»Auf«, sagte er. »Schnell.«
Meine Brüder stöhnten und versuchten, zur Seite zu rollen.
»Schnell«, brüllte Paps. »Wir sind spät dran!«
Noch bevor sie ganz aufgestanden waren, war Paps bereits auf die Knie gegangen und sammelte das Bettzeug zusammen, riss so heftig, dass Joel sich verfing und wieder hinfiel. Wir brachen in Gelächter aus, bis Paps Manny eine schallende Ohrfeige gab und Manny aufschrie. Dann waren wir still.
»Bring deine Brüder raus zum Wagen, legt euch unter die Decken und bleibt da, bis ich komme.« Er schüttelte Manny mit einem Arm vor und zurück. » Entendies?«
Als wir nach draußen kamen, war der Mann von der Morgenschicht schon da, Paps’ Ablösung – größer als Paps und weiß. Er pustete in einen Styroporbecher, und der Dampf waberte in seine Richtung. Als er uns drei entdeckte, hörte er auf zu pusten und stellte den Becher auf eine niedrige Mauer, die den Bürgersteig vom engen Hof des Gebäudes trennte.
Von links nach rechts, von rechts nach links fuhr sein kalter, neugieriger Blick über unsere Gesichter, unsere Deckenhaufen, selbst unsere kleinen Gummischneestiefel. Niemand sprach ein Wort; nur Manny bewegte sich ein wenig, um sich die Wange mit der Decke zuzuhalten. Dann kam Paps und brach den Bann, drückte sich an
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