Wir Tiere: Roman (German Edition)
gegen die Wände des Lochs, mehr Erde kam hereingerieselt, bis alle spuckten und würgten, aber niemand konnte raus – er war ein starker Mann, unser Paps, und er wusste genau, wie man uns alle drei gleichzeitig bändigte.
Als wir schließlich aus dem Loch herausgekrochen kamen, klopfte Paps sich den Staub aus der Kleidung. Wir folgten ihm ins Haus, schlichen uns an und klapsten ihm immer wieder auf den Po und schrien: »Da hast du einen Fleck vergessen! Da hast du einen Fleck vergessen!« Er drohte mit der Faust und holte ein paar Mal aus, aber er traf uns nicht.
»Seid brav«, sagte er. »Ich hol eure Mutter von der Arbeit ab.« Aber er musste wohl auf dem Weg zur Brauerei von irgendetwas abgelenkt worden sein, denn Ma kam Stunden später nach Hause – sie hatte die Nacht durchgearbeitet, jetzt war es kurz nach Mittag, und sie war allein und betrunken und stinksauer.
»Wo ist er? Wo ist der Pick-up?« Sie sah jeden Einzelnen von uns an, schaute in unsere ausdruckslosen Gesichter, dann schloss sie die Augen, lehnte sich an die Wand und glitt zu Boden. Sie schnürte ihre Arbeitsschuhe mit den Stahlkappen auf und schleuderte sie durchs Zimmer.
»Er hat einen Schützengraben gebuddelt«, sagte Joel.
Ma ließ sich Zeit damit, die weißen Socken auszuziehen. Kleine weiße Flusen klebten an ihren Füßen, und sie pustete sie mit langen Atemzügen weg. Sie konzentrierte sich ganz auf diese Arbeit, so als würde sie eine zerbrechliche Mumie auswickeln. Sie krümmte und streckte die Zehen. Dann machte sie sich an die Knöpfe ihres schweren Baumwollherrenhemds mit dem gestickten Namensschild an der Brust.
»Einen Schützengraben?«
»Hinten.«
»Was wisst denn ihr von Schützengräben?«, fragte Ma und mühte sich mit den Knöpfen.
»Joel glaubt, es ist ein Grab«, sagte ich und spürte Joels Faust unten im Rücken.
Ma hielt inne und sah jedem von uns ins Gesicht. Ihre Hemdschöße standen auf, das Hemd war unten aufgeknöpft und öffnete sich zu ihrem Herzen hin.
»Nickerchen«, verkündete sie, »für alle. Sofort.«
Wir schliefen nicht. Wir lagen zu dritt in einem Bett, fächelten uns mit Papierfächern Luft zu, und unsere schwarze Schuhcreme schmolz vom Schweiß. Wir hörten Ma in der Küche, wie sie die Schranktüren auf- und zumachte. Joel riss Witze über ihre lackierten Fußnägel, ganz rosige Zehen, den ganzen Tag eingepackt in diesen Schweißsocken und den Arbeitsschuhen.
»Habt ihr gesehen, wie aufgeregt sie ist, nach Hause zu kommen und ihre Zehen wiederzusehen?«, fragte er. »Sie ist stolz auf ihre Zehen. Verrückt nach ihnen.«
Die Hintertür knarzte beim Öffnen, und wir traten ans Fenster. Wir wagten es nicht, uns hinauszulehnen, aber wir konnten Ma auch so gut sehen. Sie stand am Rand des Lochs, rauchte und sah hinein. Dann stieg sie runter und verschwand aus dem Bild; sie legte sich ins Loch, und kaum eine Minute später brach der Himmel auf, und es regnete – es goss, in Strömen floss der Regen über die Scheibe wie in einer Autowaschanlage.
»Als ob sie das mit Absicht macht«, flüsterte Manny.
»Was?«
»Es regnen lassen.«
»Ach, halt die Schnauze.«
»Das Loch ist verhext.«
Wir gingen ins Bad und schnappten uns zwei Handtücher vom Boden, dann setzten wir uns an den Küchentisch und warteten, bis Ma hereinkam, schlammverschmiert, Haare nass, an die Stirn geklatscht. Sie ließ ihre Kleidung auf das Linoleum fallen. Sie weinte nicht, und sie war nicht sauer, dass wir nicht im Bett waren. Sie nahm die Handtücher und bedeckte sich damit, dann folgten wir ihr ins Wohnzimmer, wo sie sich seufzend auf die Couch fallen ließ. Wir holten noch mehr Handtücher und wischten den restlichen Schlamm und das Wasser ab. Als wir keine Tücher mehr hatten, holten wir Papierservietten, bis Ma so sauber und trocken war, wie wir nur konnten, dann deckten wir sie mit einer Decke zu.
»Glaubt er vielleicht, ich nehme das einfach so hin?«, fragte sie, aber sie fragte nicht uns.
Wir saßen auf dem Boden vor der Couch, hatten die Knie an die Brust gezogen und forderten uns gegenseitig heraus, uns doch in das Loch zu trauen. Der Regen hatte nachgelassen, ein Sommergewitter, aber es war immer noch nass, und in unserer Fantasie hatte sich das Loch mit Würmern und Maden und ertrunkenen Maulwürfen gefüllt. Wir hatten beschlossen, Paps nicht in Mas Nähe zu lassen, heute nicht – wir hatten Plastikgewehre und Munition, wir waren Mas Miliz –, also konnten wir nur einer nach dem anderen zum Loch
Weitere Kostenlose Bücher