Wir Tiere: Roman (German Edition)
sie, »ist halt ziemlich einfallsreich.«
Es hörte sich komisch an, wie sie »eure Mutter« sagte, und eine Weile ließ ich mir den Glauben, ich hätte noch eine andere Mutter, die Ma half und ihr die Tasche mit Knabberzeug füllte.
Im Pick-up saßen wir vier, zerdrückten die Brezeln zu trockenem Brei und schlangen ihn mühsam runter, obwohl unsere Münder schon ganz trocken waren. Das war das Einzige, was wir den Tag über gegessen hatten.
»Spanien«, meinte Ma. »Ich wollte immer mal nach Spanien. Das könnten wir machen.«
Ich war mir ziemlich sicher, dass man mit dem Auto nicht nach Spanien fahren konnte, aber nicht ganz, und als Ma von Stierkampf sprach und dass alle Kinder so aussahen wie wir, mit braunen Locken, sonnengebräunt und schlank, und sie von Pflasterstraßen und dem Leben sprach, das wir führen würden, Brot aus Körben auf dem Markt verkaufen, hielt ich alles für möglich. Wir hörten zu, fügten hinzu, was wir wussten, und führten ein neues Leben.
Es wurde langsam dunkel, wir waren nirgendwo hingefahren, es brannte kein Licht im Pick-up, und die Dunkelheit weitete den Raum zwischen uns aus. Ma sprach immer weiter über Spanien; sie erfand den Namen für den kleinen Hund, den wir aufnehmen würden, einen Hund, der uns von der Schule nach Hause folgte, weil es in Spanien überall Hunde gab, die einem an den Knöcheln knabberten und um Futter bettelten.
Auf der Straße sprangen die orangefarbenen Birnen an. Die grünen Ziffern auf der Digitaluhr leuchteten auf. Ab und zu kam ein Wagen vorbei, doch sonst war es eine sehr ruhige Straße, und plötzlich war es dunkel. Die Laternenmasten waren T-förmig und erhoben sich wie Palmen, und die Lichtkreise, die sie warfen, waren kleine, einsame Inseln. Das dunkle Meer erinnerte mich an etwas, das Paps immer wiederholte: »Es ist leichter, unterzugehen, als zu schwimmen.« Den Spruch liebte er.
Die Unterhaltung erlahmte, und es gab Pausen, in denen wir uns voneinander distanzierten; vielleicht dachten wir an Essen oder versuchten herauszufinden, ob wir Angst hatten, und wenn ja, wovor, oder vielleicht dachten wir an Paps. Ma versuchte, weiterzureden, versuchte, all das – die Stille, den Hunger, den Gedanken an Paps – in Schach zu halten, aber ihr gingen die Wörter aus.
»Mal ehrlich«, fragte sie schließlich, »was sollen wir tun?«
Sie wartete.
»Wir können nach Hause fahren, aber das müssen wir nicht. Wir müssen nie wieder nach Hause fahren. Wir können ihn verlassen. Das können wir. Aber ihr müsst mir sagen, was ich tun soll.«
Keiner sagte ein Wort. Ich versuchte, weit entfernte Geräusche zu orten und zu erraten, worum es sich handelte – Tiere, Satelliten. Die Geräusche in der Nähe waren leicht; Ma, die sich an den Worten verschluckte, das Krächzen in ihrer Kehle, das kontrollierte Atmen meiner Brüder.
»Himmel«, flüsterte Ma, »glaubt ihr vielleicht, das ist einfach? Sagt was!«
»Was«, sagte Joel, und Manny streckte die Hand aus und boxte ihn.
Ma drehte den Zündschlüssel, und der Motor sprang sofort an. Wir nahmen denselben Weg zurück, den wir gekommen waren, und schließlich fuhren wir in die Einfahrt, waren daheim. Wir hatten schon einen Schrecken gekriegt, sie würde uns diesmal tatsächlich von ihm fortschaffen, waren gleichzeitig aber auch begeistert von der wilden Möglichkeit der Veränderung. Als wir nun das Haus sahen, als es ungefährlich war, sich enttäuscht zu fühlen, taten wir es. Ich konnte die Verbitterung im Schweigen meiner Brüder spüren; ich fragte mich, ob Ma sie auch spürte.
»Ich wette, ihr habt Hunger«, sagte sie. Wir erlaubten uns, nicht zu antworten; wir erlaubten uns nicht, hungrig zu sein.
Wortlos stieg sie aus und ging nach hinten, um unsere Müllsäcke auszuladen. Im Wohnzimmer brannte eine Lampe, aber die Vorhänge waren zugezogen. Ma warf die Tür zur Ladefläche zu, Paps tauchte im Fenster auf, teilte die Vorhänge, beschirmte mit einer Hand die Augen und lehnte am Glas. Das Licht im Haus war warm, umfing Paps und ergoss sich auf den Rasen, und als Ma die Tür öffnete, verschwand sie im Licht.
Wir Jungs blieben noch eine Weile im Pick-up sitzen, dann stiegen wir aus und gingen vom Haus fort auf die Straße.
»Ich dachte, es passiert wirklich was«, sagte Joel. »Ich dachte, wir fahren irgendwo hin.«
»Wir hätten diese beschissene Frau umbringen sollen«, sagte Manny. »Wir hätten ihre Schlüssel nehmen sollen und wegfahren.«
»Welche Frau?«, fragte ich, aber
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