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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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genau. So wie du auch weißt, dass du bei mir immer danebenschießt.«
    Er hat recht. Ich hänge nicht sonderlich am Leben, doch wegen einem seit Kindertagen gehegten Groll sterben zu sollen, ist einfach zu grotesk. Bereits die alte Nummer Drei wies mich darauf hin, dass die eigentliche Gefahr darin besteht, sich lächerlich zu machen. Und ich muss in den letzten Tagen ziemlich lächerlich gewirkt haben, so verknallt, wie ich in Yolanda war, und bemüht, den verständnisvollen, modernen Vater zu spielen. Tony wird sich über mich kaputtgelacht haben.
    »Du hast also die FIRMA beauftragt, mich … Warum gerade jetzt? Warum nicht früher?«
    »Weil ich darauf gewartet habe, dass du mürbe wirst. Du hast ziemlich lang durchgehalten. Ich hatte es zwar schon mehrfach vorgeschlagen, aber du warst ihnen einfach zu nützlich, der verdammte Star der FIRMA, so wie immer. Ich musste also einen weit höheren Preis als üblich bezahlen, um sie so weit zu bringen, und zudem deinen Untergang ein wenig … forcieren. Ein Posten wie meiner in der FIRMA ist unauffällig, und man kommt an viele nützliche Informationen, mit denen man Leute manipulieren kann. Deine Frau zum Beispiel. Vor zwei Jahren habe ich ihren Computer angezapft und kenne deshalb ihre Vorlieben genau, nicht so wie du. Von der ersten E-Mail an, die sie und der Richter sich geschrieben haben, habe ich den Braten gerochen. Und es hat mir dann keine Mühe gemacht, sie mit einer gefälschten, auf Juan Pérez Pérez und Gattin ausgestellten VIP-Einladung hierherzulocken. Ich wusste, dass sie dir nichts davon erzählen und ihren neuen Lover mit auf den Campingplatz nehmen würde. Was habe ich gelacht, als ich mir dein Gesicht vorstellte, wenn du sie hier triffst, im Nachbarzelt …«
    Spöttisch grinsend wechselt er sein Standbein, die Pistole weiterhin auf mich gerichtet. Er genießt die Situation.
    »Und das mit dem Auto?«
    »Noch so ein ›Zufall‹. Als sie den Mercedes annonciert hat, habe ich mich als Erster gemeldet und gleich einen hohen Preis geboten. Aber jetzt reicht es mit der Fragerei, Juan. Kommen wir zur Sache. Hinkebein gegen Hinkebein, Einäugiger gegen Einäugiger, alle beide bewaffnet – und trotzdem steht fest, wer gleich dran glauben wird. Und weißt du auch, wie?« Auf seinem Gesicht zeigt sich ein breites Grinsen. »Nun, wie ein Pirat, der Verrat begangen hat: Du wirst kielholen, mein Kapitän.«
    Ich begreife sofort. Er will mich dazu zwingen, vom Felsvorsprung in den Abgrund zu springen, sodass mein Körper an den vom Wasser gepeitschten Klippen zerschmettert. Offenbar ist mir dieser Tod vorherbestimmt und die beiden vorherigen Male in meiner Kindheit und vor ein paar Stunden waren wohl die Generalprobe dazu. Er macht einen Schritt auf mich zu und bleibt wieder stehen, er kennt den Wirkungsbereich der im Taschenrechner verborgenen Luftpistole genau, ab fünf Meter Entfernung ist sie nur noch halb so treffsicher.
    »Es sei denn, dir ist es lieber, ich schieße dir in den Bauch und rolle dich eigenhändig runter, Juan. Du hast die Wahl.«
    »Du hast recht, Tony.«
    »Womit?«
    »Ich hatte als Kind Mitleid mit dir, wegen deiner Minderwertigkeitskomplexe und deinem Drang, auf Teufel komm raus aufzufallen, deiner draufgängerischen Art, damit keiner merkt, dass du ein riesengroßer Feigling bist … Wegen all dem hast du mir unendlich leidgetan. Und das tust du mir heute noch.«
    Er verlagert sein Gewicht jetzt auf beide Beine und hält die Pistole, die auf meinen Magen zielt, nun mit beiden Händen. Er zittert vor Wut.
    »Ach ja? Und wer ist jetzt der Verlierer, Juan? Wer ist jetzt zu bemitleiden?«
    Er wird gleich schießen.
    »Du, Tony. Jetzt und in alle Ewigkeit.«
    Ich drücke die Tastenkombination des Taschenrechners. Ich habe nur eine Chance, und ich schieße immer daneben, wenn’s um Tony geht und es mir wirklich wichtig ist.
    Aber diesmal nicht.
    Der Pfeil trifft ihn am Hals, er merkt es kaum, während er abdrückt und ich mit letzter Kraft zur Seite hechte. Er sieht es, hat aber keine Zeit mehr für einen zweiten Schuss. Das Gift wirkt augenblicklich, Tony kippt um wie ein gefällter Baum und ist tot, noch bevor er den Boden berührt.
    Stöhnend rappele ich mich auf, mir tun sämtliche Knochen weh. Ohne Tony noch eines Blickes zu würdigen, will ich mich schon auf den Weg hinab zum Campingplatz machen, als ich es mir noch einmal anders überlege.
    Ich trete zu Tonys leblosem Körper, rolle ihn auf den Felsvorsprung und gebe ihm dort

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