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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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Rädchen im Getriebe der mysteriösen FIRMA. Hinter der sich womöglich ein multinationaler Konzern mit einer Abteilung für Hinrichtungen verbirgt. Oder eine Regierung. Vielleicht ja sogar unsere eigene.
    Aber das kann mir egal sein, sie zahlen pünktlich, und ich beziehe das Gehalt eines Topmanagers. Und das vollkommen legal, wie jeder andere auch führe ich die Steuern an das Finanzamt ab. Ich habe sogar ein eigenes Büro, auch wenn ich dort nur ein- oder zweimal pro Woche aufkreuze. Und ich habe eine spitzenmäßige Lebensversicherung, die den Unterhalt und die Ausbildung der Kinder sichert, falls mir etwas zustoßen sollte. Zudem deponiert jemand jeden Monat auf einem Schweizer Nummernkonto noch einmal das Dreifache meines offiziellen Gehalts – und eine saftige Prämie für jeden der erfolgreich ausgeführten Aufträge, die sich in meinem Fall auf dreizehn beziffern.
    Stopp, vierzehn, ich habe den Geschäftsmann gestern im Fahrstuhl vergessen.
    Strenggenommen sind es sogar fünfzehn, aber die frühere Nummer Drei rechne ich nie mit. Und der Kredithai im Retiro zählt ebenso wenig. Zumindest nicht für meinen beruflichen Werdegang. Das war ein Freundschaftsdienst. Und obendrein ein hundsmiserabler.
    Leticia hat sich nie gewundert, dass ein Loser wie ich so viel Geld verdient. Bevor wir uns trennten, sagte sie, dass sie lieber mit einem Draufgänger verheiratet gewesen wäre, auch wenn er keinen Cent in der Tasche gehabt hätte. Ein selbsternannter Verfechter der Naturheilkunde hätte aber nicht ihr Fitnessstudio, ihre Designerklamotten oder die Privatschule der Kinder finanzieren können. Und auch nicht ihren Unterhalt, das Haus, in das sie ein paar Monate nach der Trennung wieder einzog, da ich mir ein Apartment gekauft hatte, und natürlich auch nicht das Auto, das ich jeden Moment durch das Fenster des Restaurants zu sehen fürchte.
    Auf einmal lenken mich hellblaue Augen ab. Sie gehören einer blonden Frau, die ungefähr Mitte zwanzig ist. Mit einem fröhlichen Lächeln beobachtet sie uns. Genauer gesagt die Kinder. Plötzlich sieht sie jedoch mich an, und erneut verspüre ich ein heißes Pochen in meinen Lenden. Ich lächle zurück. In ihrem Blick liegt keine Koketterie, zumindest keine billige. Aber ich ahne, dass sie sich fragt, ob die Mutter meiner Kinder noch schläft oder ob es keine Mutter mehr gibt. Auf diesem Campingplatz macht nämlich vornehmlich die progressive obere Mittelschicht Urlaub. Das heißt, viele Geschiedene und viele blonde, hellhäutige Europäer.
    »Ich glaube, Papi hat schon eine Freundin gefunden«, flüstert Leti ihrem Bruder halb amüsiert, halb entrüstet zu.
    Schnell senke ich den Kopf, denn ich fürchte, ich habe mich gerade unwillkürlich wie Nummer Drei benommen. Deshalb der interessierte Blick des Mädchens: Juanito Pérez Pérez würde sie nie so ansehen. Aber die Fensterscheibe und meine antrainierten Reflexe, die Gewohnheit, Juanitos Persönlichkeit zu tragen wie einen ausgeleierten Lieblingspullover, sagen mir, dass ich mich nicht verraten habe. Also sehe ich noch einmal zu ihr hinüber, und sie lächelt freundlich zurück. Sie hat Shorts und ein pinkfarbenes T-Shirt an, und obwohl wir uns am Strand irgendwann nackt begegnen werden, empfinde ich diesen fast unschuldigen Anblick mit ihrem zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haar und den sanften Rundungen, die sich unter der Kleidung abzeichnen, als extrem erotisch.
    Antoñito verkündet laut, dass er mehr Butter braucht, aber ich kann nicht aufstehen und ihm welche holen. Diesmal würde meine Erektion wirklich von allen bemerkt werden. Mir schwant, dass mein Aufenthalt in diesem Nudisten-Paradies die reinste Folter wird.
    Kann sie meine Gedanken lesen? Denn auf einmal steht sie auf, holt am Büffet ein paar in Stanniol eingepackte Butterwürfel und kommt zu uns an den Tisch. Sie stellt sich vor, aber ihr Name bleibt mir nicht im Gedächtnis haften, weil ich gerade meine ganzen mentalen Kräfte mobilisieren muss, um die Erektion abklingen zu lassen und gleichzeitig die Einfahrt des Campings zu beobachten. Deshalb kann ich auch nur mit halbem Ohr zuhören, als sie mich, aber noch mehr die Kinder, über die für diese Woche vorgesehenen Aktivitäten informiert. Daraus schließe ich, dass sie hier arbeitet, wahrscheinlich als Animateurin. Ich will etwas Nettes sagen, doch zu spät: Sie hat sich schon von den Kindern verabschiedet.
    Normalerweise mag ich es nicht, wenn man mir verzeiht.
    Aber sie bedenkt mich mit

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