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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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nicht darunter gelitten. Das wusste ich, weil mein Schwiegervater in seinem Landhaus immer mal wieder ein Scheibenschießen veranstaltete, um mein Talent zur Schau zu stellen.
    »Er hat die sichere Hand eines Chirurgen«, prahlte er dann vor seinen Bekannten, und alle applaudierten.
    Ich war etwa hundert Meter von den beiden entfernt. Sie diskutierten. Tony wirkte ziemlich nervös, dennoch setzte er ihm erhobenen Hauptes seine Lage auseinander, um zu zeigen, dass er keine Angst vor ihm hatte.
    Der Koloss lachte ihm jedoch nur hämisch ins Gesicht.
    Keine Ahnung, was Tony in dem Moment geritten hat.
    Er holte aus und gab dem unverschämten Kerl eine Ohrfeige.
    Und dann noch eine.
    Und noch eine.
    Der Typ war völlig verdattert. Aber er fing sich gleich wieder. Kurz sah er sich im menschenleeren Park um und zückte dann ein langes Messer.
    Ob meine Hand in die Jackentasche flog oder die Pistole mir regelrecht in die Hand sprang, weiß ich nicht mehr. Als er mit dem Messer auf Tony losging, drückte ich ab.
    Zuerst dachte ich, ich hätte nicht getroffen, denn nicht der Typ ging zu Boden, sondern Tony. Deshalb schoss ich noch einmal, woraufhin der Koloss augenblicklich zusammenbrach, und spazierte dann ohne Eile zum Ausgang am anderen Ende des Parks.
    Als ich zehn Minuten später auf der gegenüberliegenden Seite wieder hineinging, war der Rettungswagen bereits da, und unzählige Schaulustige drängten sich um den Unglücksort. Kurz vorher schien der Retiro noch menschenleer gewesen zu sein, die Tragödie hatte die zig Liebespärchen, Studenten und Rentner jedoch aus allen Winkeln gelockt. Niemand achtete auf mich.
    Der Koloss wurde in einem verschlossenen Sack davongetragen. Er würde niemanden mehr bedrohen.
    Ich betete, dass der Messerstich, den er Tony versetzt hatte, nicht sehr tief war.
    Es war jedoch kein Messerstich.
    Mein erster Schuss war nicht ganz danebengegangen.
    Er wurde mit einer Kugel im linken Bein abtransportiert, und obwohl er ohnmächtig war, hätte ich schwören können, dass er mich ansah, bis sich die Tür des Krankenwagens hinter ihm schloss.
    Das Bein war nicht mehr zu retten, doch während seiner ganzen Rekonvaleszenz wurde Tony nicht müde, zu behaupten, dass er den Kerl ohne die Einmischung des unbekannten Mörders mit Sicherheit kleingekriegt hätte.
    »Weißt du, Juan, ich hatte ihn richtig in der Mangel!«
    Wie vorauszusehen, brachte die Polizei Tony nicht mit dem Tod des Kredithais in Verbindung. Der war wegen Diebstahls und Erpressung vorbestraft, und man ging davon aus, dass Tony rein zufällig in das Schussfeld von Kleinganoven geraten war, die mit dem Halsabschneider noch eine Rechnung offen hatten.
    Kurz bevor mein Freund aus dem Krankenhaus entlassen wurde, stellte ich meine Besuche ein.
    Ich sah ihn nie wieder.
    Sein Schicksal verfolgte ich aber schon noch eine Zeitlang.
    Am Ende verkaufte er seinem Konzern das Patent für einen Betrag, der viermal so hoch war wie das erste Angebot. Und seine Chefs schenkten Tony eine erstklassige Beinprothese und stellten ihm während der gesamten Reha einen ganz besonderen Rollstuhl zur Verfügung.
    Das Neueste vom Neuesten. Mit Motor.
    Ein Unikat.
    Er besaß nämlich eine Vorrichtung, die nie auf den Markt kommen würde.
    Eine »Teo-lette«.
    »Auf Regen folgt stets Sonnenschein«, pflegte die frühere Nummer Drei zu sagen. Die Kinder schlafen noch immer tief und fest.
    Ich werde es nicht tun.
    Und ich werde auch nicht zulassen, dass es einer meiner Kollegen tut.
    Schon gar nicht dieser Rambo von Nummer Dreizehn.
    Ich rauche. Warte. Denke nach. Sehe mich um, wobei ich mir ein Auge zuhalte. Ich kann das Meer riechen.
    Ob Leticia mit ihrem mysteriösen Lover schon da ist?
    Bestimmt. Sie ist immer gern schnell gefahren.
    Und wenn sie es gar nicht auf sie, sondern auf mich abgesehen haben? Leticia entstammt zwar der Oberschicht, aber eigentlich ist sie doch ein Nobody. Jedenfalls kein Mensch, dem irgendwer nach dem Leben trachtet. Außer ich vielleicht.
    Kaum zu glauben, dass sie nicht wissen, wer ihre Todeskandidatin ist. Außer, das Ganze ist eine Falle, in die ich gelockt werden soll und die meine ganze Familie mit einbezieht … Nein, ausgeschlossen! Das passt nicht zu meiner FIRMA. Und ich habe in all den Jahren, in denen ich schon für sie arbeite, keinen einzigen Fehler begangen.
    Das Vernünftigste wäre eigentlich, mich mit den Kindern über die Grenze abzusetzen. Nur würde ich dann nie herausfinden, ob das alles nur ein gigantisches

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