Wir toeten nicht jeden
und sich stets gewählt ausdrückt, reißt vor Staunen ihren dezent mit Kollagen aufgepolsterten Mund auf.
»Ach du Scheiße, was machst du denn hier?«
Die Jubelschreie der Kinder über das unerwartete Zusammentreffen ersparen mir zum Glück die Antwort. Gaspar Beltrán streckt mir die Hand entgegen, denn er hat die Situation sofort erfasst. Auch wenn ich nicht glaube, dass er mein Gesicht kennt: Die Familienfotos, auf denen ich zu sehen bin, sind schon lange aus der Villa verschwunden, die einmal mein Zuhause war. Er trägt wie ich ein Handtuch um die Hüfte, ein Detail, das uns verbindet.
Während Leticia die Kinder an den Pool schickt, wechseln wir ein paar Sätze über den Zufall und wie komisch es doch ist, uns so kennenzulernen, wobei ein Augenzwinkern mir verrät, dass er nur Leticia zuliebe hier Urlaub macht. Als hinter ihm ein Handy klingelt, greift er sich instinktiv an die Hüfte, wo er aber natürlich nur den Knoten des Handtuchs findet, worauf wir beide losprusten.
Mit einem entschuldigenden Blick hechtet Beltrán ins Zelt, um sich das beharrlich klingelnde Telefon zu schnappen, und verschwindet dann damit zwischen den Bäumen. Meine Ex sieht ihm verliebt nach, und als sie sich wieder zu mir dreht, entdecke ich in ihrer Miene nicht einen Hauch des Unmuts, mit dem sie früher auf das Klingeln meines Handys reagiert hat. Was nur logisch ist: Der Richter muss sich um wirklich wichtige Dinge kümmern, während ich ja nur Slipeinlagen in halb Europa verkaufe.
Wer behauptet, die Haut hätte kein Gedächtnis, hat noch nie jemanden geliebt. Der Körper vergisst nicht. Der Kopf schon.
Leticias prachtvoller Körper ist wohlgeformt durch das jahrelange Aerobic in diversen Fitnessstudios, das ich mit dem Gehalt für einen Job bezahlt habe, den sie verachtet, ohne von dem anderen zu wissen. Er weckt widersprüchliche Gefühle in mir. Denn ich muss zugeben, dass die Scheidung ihr bestens bekommen ist. Wüsste ich es nicht besser, würde ich sie gut fünf Jahre jünger schätzen, als sie ist.
Ihr anerkennender Blick zeigt mir, dass sie das Kriegsbeil wenn nicht begraben, so doch wenigstens aus der Hand gelegt hat. Zumindest vorläufig.
»Alle Achtung, Juanito, früher warst du nicht so gut in Form.«
Das ist einer der Vorteile der Scheidung: Seit ich allein bin, kann ich so viel Krafttraining machen, wie ich will, weil ich nicht mehr darauf achten muss, dass sie was merkt.
»Dein Richter ist aber auch nicht schlecht.«
»Ja, er ist klasse, nicht wahr?«, erwidert sie stolz, während sie eine stylische Thermoskanne aufschraubt.
Gewisse Leute sind da sicher anderer Meinung. Die Drogenbarone, denen Gaspar Beltrán zugesetzt hat; die Terroristen, denen er den Schlaf raubt, weil sie jeden Moment mit einer Großrazzia rechnen müssen; die Frauenhändler; die korrupten Politiker: Jeder von ihnen könnte von heute auf morgen seine Liquidierung beschließen.
Leticia reicht mir eine Tasse, und noch bevor ich sie an die Lippen setze, weiß ich, dass das Verhältnis von Kaffee und Milch genau so ist, wie ich es mag. Sie hatte schon immer ein gutes Gedächtnis. Mein eigenes hingegen lässt mich im Stich. Ich bin unzählige Male in ihrem Körper gewesen, denn sogar während es mit unserer Ehe bergab ging, hatte uns der Sex immer noch verbunden. Wenn ich sie aber jetzt so nackt in freier Natur sehe, kommt sie mir völlig fremd vor, die eines anderen.
»Was guckst du so? Es ist doch nicht das erste Mal, dass du mich nackt siehst.«
»Tut mir leid, das ist es nicht … Es ist … Hast du das Auto verkauft?«
»Ah, ja, vor einer Woche. An eine große, sehr sympathische Blondine. Sie hat nicht mal zu feilschen versucht. Es macht dir doch nichts aus, oder?«
Ich schüttele den Kopf, worauf sie mir von den Kindern zu erzählen beginnt, die sich mit Gaspar anscheinend gut verstehen. Irgendwann schweifen meine Gedanken jedoch ab: Als mir nämlich aufgeht, dass der gefährdetste Richter des Landes bestimmt nicht ohne Leibwächter auf dem Campingplatz ist. Aber das weiß Leticia wahrscheinlich nicht. Wer sind wohl seine Begleiter? Und wo verstecken sie ihre Waffen? Es müssen mindestens zwei sein, aber nicht die üblichen Gorillas, die man sofort erkennt.
»He, Juanito, träumst du? Ich hab dich gefragt, ob es wieder jemanden in deinem Leben gibt. Oder lässt dir dein verantwortungsvoller Beruf keine Zeit für Privates?«
»Ich … Mir ist es lieber, den Dingen ihren Lauf zu lassen, weißt du.«
»Ich weiß bloß, dass
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