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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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bin ich irgendwie viel zu müde, und die Yolanda meines Traums hält mich auch sanft davon ab. Sie hat die Führung übernommen, und mehr als ich sie sehe, spüre ich sie, ihren Mund an meinem Geschlecht, es ist eine andere Hitze als vorhin, die mein Blut in Wallung bringt und mich schweben lässt, schwerelos wie im warmen Wasser des Toten Meeres, es ist, als wolle sie sie Millimeter für Millimeter erkunden, sich ihrer bemächtigen und ihre Temperatur allein nach ihrem Belieben ansteigen lassen. Die Yolanda meines Traums macht weiter, immer weiter, gönnt sich keine Pause, doch in ihrer Entschlossenheit liegt etwas anderes als Leticias verzweifelter, gekränkter Stolz, da sind Leidenschaft und Gier, sie dürstet nach mir, sodass ich ihr vor Lust zuckend zu trinken gebe, gesegnet seien die Träume, die sämtliche Mauern niederreißen, gesegnet der Mund, der trinkt und trinkt, während ich allmählich wieder ruhiger werde und vom lichten Traum ihrer Lippen in jenen anderen Traum hinübergleite, das süße Nichts, aus dessen Tiefen ich nur noch höre, wie die Yolanda meines Traums meinen Namen flüstert.
    Irgendwann im Morgengrauen schrecke ich aus meinen Träumen hoch. Yolanda schläft nackt neben mir, wirklicher als alles, was ich bisher erlebt habe.
    Und doch kommt es mir immer noch wie ein Traum vor.
     

19
     
    Ein außergewöhnliches Geräusch. Und ein anderes, das irgendwie fehlt. Das ist es, was mich gegen halb neun geweckt hat.
    Eines fehlt bei den trivialen, für einen Campingplatz typischen Geräuschen, draußen vor dem Zelt, wo um diese Uhrzeit normalerweise die Frühaufsteher Jagd auf die ersten Sonnenstrahlen machen.
    Eines gehört aber auch nicht dazu. Und ich könnte schwören, dass es mit meinem Beruf zu tun hat. Nicht alles bekommt man beigebracht. Manches nimmt man mit der Zeit auch einfach mit den Sinnen auf. Es legt sich in dünnen Schichten über das erlernte Wissen und lässt einen intuitiv die untrüglichen Vorzeichen erkennen.
    Es besteht keine akute Gefahr. Möglicherweise ist aber Gefahr im Verzug.
    Das hat mich vor nun schon fast einer Stunde geweckt. Yolanda schlief nackt neben mir, eng an mich geschmiegt. Ein Geräusch zu viel und ein Geräusch, das fehlt – doch Yolandas Atem erfüllte das Zelt, beschwingte mein Geschlecht und meinen eigenen Atem, und als sie dann noch verschlafen meinen Namen murmelte, blieb kein Raum mehr für die Wahrnehmung überflüssiger oder fehlender Geräusche.
    Ich sah sie an – und sie gefiel mir noch viel mehr als am Tag zuvor. Sie machte die Augen auf. Hallo, mein Märchenprinz . Ein Geräusch zu viel. Guten Morgen, Dornröschen . Sie lächelte und wir umarmten uns, erzählten uns zwischen Küssen die Neuigkeiten, sie fragte nach dem Verband auf meinem Auge, ein dummer Zusammenstoß mit einem Ast , ein Geräusch zu wenig, man kann dich echt nicht allein lassen , wir küssten uns, dann bleib eben bei mir , noch einmal das Geräusch, welches auch immer, aber schon weit weg, tut mir leid, dass ich dich heute Nacht geweckt habe, aber du sahst einfach so süß aus , Kuss, du hast geschlafen wie ein Baby , Kuss, ein Baby mit einem Ständer , Kuss, da konnte ich einfach nicht widerstehen , Kuss, gib der Verlockung ruhig nach , Kuss. Das fehlende und das überflüssige Geräusch bedeutete ein und dasselbe, nur was?
    Mit dem Geschäftsführer war alles glattgegangen. Yolandas beflissener Chef hatte ihm gegenüber weder meine Ex noch die Kinder erwähnt, nur unsere Liebesgeschichte und die Überraschung, die ich Yolanda bereiten wollte, und so hatte der Boss nichts gegen die Liaison seiner Angestellten einzuwenden gehabt. Solange wir tagsüber Distanz wahrten, gehörte die Nacht uns, so viele Nächte du willst , sollten die zusätzlichen und fehlenden Geräusche doch warten, ich will sie alle! Und dann nur noch Sex und unsere Geschlechter, die sich im Takt mit dem Herz meines Zeltes bewegten, was alle anderen Geräusche verdrängte.
    Danach die wohltuende Ruhe nach dem Sturm. Wir umarmten uns. Können die Zärtlichkeiten danach noch erregender sein als der Aufruhr davor? Durchaus. Aber dann plötzlich Hektik, ich will heute nicht zu spät kommen , ein paar schnelle Küsse als Proviant, meinst du, du kannst während der Siesta in meine Hütte kommen? , der Duft unserer Geschlechter für meine Sinne so angenehm wie eine weiche Matratze, langsam kehrten die Geräusche zurück, klar komme ich , Küsse, während sie sich anzog, bleib noch ein Weilchen liegen, noch mehr

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