Wir toeten nicht jeden
sollten warten, bis wir wieder ein bisschen klarer im Kopf sind, und schwankt dann unter Hinweis auf seine Prostata aus der Höhle. Ich tue es ihm gleich, und einen Augenblick später pinkeln wir wie zwei kleine Jungs kichernd einen am Rand des Plateaus wachsenden Strauch an.
»Es gibt noch eine Lösung, die vielleicht besser funktioniert«, sagt er, während wir auf unseren Stein in der Höhle zurückkehren. »Die FIRMA. Nummer Drei weiß fast nichts von der FIRMA, zumindest behauptet er das. Aber er hat eine steile Karriere hingelegt. Wie wär’s, wenn das Ganze ein Test wäre, so eine Art unangekündigte Bewährungsprobe, weil sie ihn auf seine Zuverlässigkeit hin erproben wollen, sehen wollen, ob er es verdient, befördert zu werden?«
Als wir eine halbe Stunde später zum Campingplatz zurückkehren, komme ich zu dem Schluss, dass an Camilleris letzter Hypothese durchaus was dran sein könnte. Nummer Zwei ist zu so etwas fähig. Und noch zu viel mehr.
Aber ich will nicht weiter aufsteigen.
Und ich will auch nicht mehr so weitermachen wie bisher.
Für das Ende meines Romans wünsche ich mir ein Leben ohne Lügen. Und dass ich weiß, ob ich nun Juanito oder Nummer Drei bin. Ich will wissen, leben, lieben – auch wenn es weh tut oder ich beim Versuch, diese drei Verben zu konjugieren, draufgehe.
Es dürfte drei Uhr morgens sein. Auf dem Campingplatz schlafen alle. Ich habe Camilleri zu seinem Bungalow begleitet und drehe noch eine Runde.
Die Bucht ist ohne Yolanda ganz anders, auch wenn sich halb hinter den Felsen verborgen ein Pärchen liebt.
Ich habe nicht vor, herauszufinden, wer sie sind. Das ist mir gerade völlig egal.
Ich gehe ans andere Ende des Strands, ziehe mich aus und laufe ins Meer, das mich äußerlich von allem Schmutz und Schweiß befreit, mir aber auch enthüllt, wie schmutzig ich mich in meinem Innern fühle. Allmählich werde ich wieder nüchtern, aber die Leere in meiner Brust bleibt.
Yolanda. Nur sie kann sie vollkommen ausfüllen, Pore für Pore. Ich widme ihr drei spontan verfasste Gedichte, die ich ihr sicher nie vortragen werde, zwei davon sind ziemlich erotisch, aber trotzdem voller Zärtlichkeit. Bin ich gerade dabei, mich unsterblich zu verlieben, oder hat mein Schutzpanzer nur einen Riss bekommen? Die frühere Nummer Drei hatte recht mit seiner Grenze. Auch wenn er mindestens dreimal so viele Tote wie ich auf dem Konto hatte und erst gegen Ende eine gewisse Verbitterung durch seinen Zynismus durchzuhören war.
Yolanda. Sie ergreift Besitz von mir, schmuggelt sich in meinen Mund, als ich ihren Namen flüstere, vielleicht ja auch laut herausschreie, füllt die Leere in meiner Brust aus, dringt immer tiefer, bis in meinem Geschlecht die Wollust erwacht, die sicher die ganze Nacht nicht nachlassen wird. Jetzt ist es mir nicht mehr unangenehm oder peinlich, es ist ein Zeichen der Ehrerbietung, so wie sie es auch bezeichnen würde, und mit dem Rest Whisky in der Flasche stoßen wir, mein Schwanz und ich, ausgestreckt am Strand auf Yolandas Rückkehr an, mit all den Fragen und Zweifeln, die das mit sich bringt.
Nicht einmal das kalte Meerwasser, das den Sand fortspült, mit dem mein Körper paniert war, hat meine Begierde zu zügeln vermocht. Während ich nackt zu meinem Zelt gehe, trage ich sie wie eine brennende Kerze vor mir her, würdige so den ersten Geburtstag eines Bewusstseins, das irgendwo in mir geschlummert hat. Nicht dass schon ein Jahr vergangen wäre – die Zeit verliert nur einfach ihre Bedeutung, wenn man endlich wieder etwas fühlt, und ich muss feiern, dass hier und jetzt alles vorbei ist.
Zum Teufel mit der Nummer Zwei.
Zum Teufel mit der FIRMA.
Ich steige aus.
Sie werden mich nicht daran hindern. Gleich am Anfang wollte ich von der alten Nummer Drei nämlich wissen, ob die FIRMA das mit dem Ruhestand so handhabt, wie ich es in den Filmen gesehen hatte, in denen man in einer Holzkiste rausgetragen wird. Die Frage hatte ich nur aus reiner Neugier gestellt, denn die Zukunft interessierte mich damals nicht, ich dachte nicht nach.
»Natürlich nicht, mein Junge«, hatte er geantwortet und schallend gelacht. »Wenn ich die Schnauze voll habe, höre ich auf, und basta. So einfach ist das.«
Wenn ich es mir recht überlege, hat die frühere Nummer Drei den Job allerdings nicht einfach so an den Nagel gehängt.
Ich habe ihn umgebracht.
Auf Befehl der FIRMA.
Aber das hat bestimmt einen anderen Grund gehabt, wenn ich auch nicht weiß, welchen.
Es muss wegen
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